Der Mord zum Sonnntag
«Ich, Alvirah Meehan. Aber wenn
man an all die Prominenten denkt, die Bücher schreiben,
und wie viele davon wirklich Mist sind, dann trau ich mir
das schon zu.
Zu dem, was sich bisher getan hat: Ich fuhr in einer
Limousine nach Cypress Point Spa, zusammen mit
Elizabeth Lange. Sie ist eine hübsche junge Frau und tut
mir leid. Ihre Augen schauen sehr traurig, und man merkt
gleich, daß sie schwer unter Druck steht. Praktisch hat sie
den ganzen Weg über von San Francisco an geschlafen.
Elizabeth ist die Schwester von Leila LaSalle, sieht aber
ganz anders aus. Leila hatte rotes Haar und grüne Augen.
Sie konnte gleichzeitig auf Sexbombe und ganz große
Dame machen. Ich finde, Elizabeth läßt sich gut mit dem
Wort ‹natürlich› beschreiben.
Sie ist etwas zu mager, hat breite Schultern, riesige blaue
Augen, honigfarbenes, schulterlanges Haar, schöne,
kräftige Zähne. Ein einziges Mal hat sie gelächelt, und da
wurde einem richtig warm ums Herz. Sie ist ziemlich groß
– meiner Schätzung nach ungefähr einsfünfundsiebzig. Ich
möchte darauf wetten, daß sie singt. Sie hat eine so
angenehme Sprechstimme, aber nicht dieser übertriebene
Bühnenton, wie man ihn heute von so vielen dieser grünen
Starlets zu hören kriegt. Ich vermute, man nennt die gar
nicht mehr Starlets. Wenn ich mich ein bißchen mit ihr
anfreunde, erzählt sie mir vielleicht ein paar interessante
Einzelheiten über ihre Schwester und Ted Winters. Ich
überlege mir, ob der Globe mich über den Prozeß
berichten lassen will.»
Alvirah hielt inne, drückte die Rücklauftaste und spielte
dann das Band noch einmal ab. Es klappte einwandfrei,
der Recorder funktionierte. Vielleicht sollte sie nun etwas
über ihre neue Umgebung sagen.
«Mrs. von Schreiber geleitete mich zu meinem
Bungalow. Ich hätte beinahe laut gelacht, als sie das einen
Bungalow nannte. Wir haben nämlich regelmäßig einen in
Rockaway Beach an der Ninetyninth Street gemietet,
direkt neben dem Vergnügungspark. Wenn der
Getränkeautomat unten im Sommer auf Hochtouren lief,
hat die ganze Bude gewackelt.
Der Bungalow hier hat einen ganz in hellblauem Chintz
gehaltenen Wohnraum, und überall verteilt liegen
Perserbrücken – handgeknüpft – ich hab nachgesehen …
ein Schlafzimmer mit Himmelbett, einem kleinen
Schreibtisch, einem bequemen Sessel, einer Kommode,
einem Frisiertisch voller Kosmetika und allem, was man
so zur Körperpflege braucht, und ein riesiges Bad mit ’ner
eigenen Quecksilberdampflampe. Außerdem gibt’s noch
einen Raum mit eingebauten Bücherregalen, einer echten
Ledercouch, Sesseln und einem ovalen Tisch. Im
Obergeschoß sind noch zwei Schlafzimmer und Bäder, die
ich natürlich wirklich nicht brauche. Der schiere Luxus!
Ich muß mich dauernd kneifen, ob ich nicht vielleicht
träume.
Baronin von Schreiber hat mir erklärt, daß es früh um
sieben mit einem flotten Spaziergang anfängt, an dem
jeder Gast hier teilnehmen soll. Danach kriege ich ein
kalorienarmes Frühstück im Zimmer serviert. Das
Mädchen bringt gleich den Tagesplan für mich mit. Dazu
gehört alles mögliche, zum Beispiel eine
Gesichtsbehandlung, eine Massage, eine Kräuterpackung,
ein Blitzguß – was immer das sein mag –, der
Dampfstrahl, eine Pediküre, eine Maniküre und der
Friseur. Das muß man sich mal vorstellen! Nachdem mich
der Doktor von Kopf bis Fuß untersucht hat, kommt dann
noch das Fitneßtraining dazu.
Jetzt lege ich mich ein bißchen aufs Ohr, und danach
wird’s Zeit, sich fürs Dinner zurechtzumachen. Ich ziehe
den bunten Kaftan an, den ich bei Martha’s auf der Park
Avenue gekauft habe. Ich hab ihn der Baronin gezeigt,
und sie sagte, er wär’ genau richtig, aber die
Kristallperlenkette, die ich in der Schießbude in Coney
Island gewonnen habe, sollte ich lieber weglassen.»
Befriedigt strahlend schaltete Alvirah den Recorder aus.
Wer hat jemals behauptet, Schreiben sei schwer? Mit
einem Tonbandgerät war es ein Kinderspiel.
Tonbandgerät! Hastig sprang sie auf und griff nach ihrer
Handtasche. Aus einem Seitenfach mit Reißverschluß
nahm sie eine kleine Schachtel, die eine rosettenförmige
Anstecknadel enthielt.
Allerdings kein gewöhnliches Schmuckstück, dachte sie
stolz. In dem hier war ein Mikrofon eingebaut; der
Chefredakteur hatte ihr gesagt, sie solle es tragen, um
damit Gespräche aufzunehmen.
«Dann kann später niemand behaupten, Sie hätten ihn
falsch zitiert.»
7
«Tut mir leid,
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