Der Mord zum Sonnntag
daß ich Ihnen das zumuten muß, Ted, aber
die Zeit wird knapp.» Henry Bartlett lehnte sich zurück in
dem Polsterstuhl am Kopfende des Bibliothekstisches.
Ted spürte, wie es in der linken Schläfe hämmerte und
der Schmerz über und hinter das linke Auge ausstrahlte. Er
drehte den Kopf, um der durch das gegenüberliegende
Fenster hereinflutenden Nachmittagssonne auszuweichen.
Sie saßen im Studio von Teds Bungalow, der in einem
der zwei teuersten Unterkunftsbereiche von Cypress Point
Spa lag. Craig, der Ted schräg gegenübersaß, machte ein
ernstes Gesicht, die haselnußbraunen Augen schauten
sorgenvoll.
Henry hatte diese Besprechung vor dem Dinner verlangt.
«Uns bleibt nicht mehr viel Zeit», hatte er gesagt, «und
solange wir uns nicht über unsere endgültige Strategie
geeinigt haben, kommen wir keinen Schritt weiter.»
Zwanzig Jahre Gefängnis, dachte Ted. Das war das
Urteil, das ihn erwartete. Unvorstellbar … Bei der
Entlassung wäre er dann vierundfünfzig. Sämtliche alten
Gangsterfilme, die er sich gern im Spätprogramm ansah,
kamen ihm unvermittelt in den Sinn. Stahlgitter,
hartgesottene Gefängniswärter, in der Hauptrolle Jimmy
Cagney als tollwütiger Killer. Dieses Genre schätzte er
von jeher als willkommene Zerstreuung.
«Wir haben zwei Möglichkeiten», sagte Henry Bartlett.
«Wir können bei Ihrer ursprünglichen Darstellung bleiben
–»
«Meiner ursprünglichen Darstellung», unterbrach ihn
Ted wutschnaubend.
«Lassen Sie mich doch ausreden! Sie verließen Leilas
Apartment gegen zehn nach neun. Sie gingen in Ihre
eigene Wohnung. Sie versuchten, Craig zu erreichen.»
Und zu diesem gewandt: «Verdammt schade, daß Sie
nicht abgehoben haben.»
«Ich sah mir eine Sendung an, die mich interessierte. Der
Anrufbeantworter war eingeschaltet. Ich wollte dann
später bei allen zurückrufen, die eine Nachricht
hinterlassen hatten. Und ich kann beschwören, das Telefon
hat um 1 Uhr 20 geläutet, genau wie Ted sagt.»
«Warum haben Sie denn keine Nachricht hinterlassen,
Ted?»
«Weil ich es hasse, mit Maschinen zu reden, besonders
mit dieser.» Er preßte die Lippen zusammen. Craigs
Gewohnheit, auf seinem Anrufbeantworter einen
japanischen Hausdiener nachzuahmen, reizte ihn bis zur
Weißglut, auch wenn die Imitation hervorragend war.
Craig konnte jeden kopieren und hätte sich seinen
Lebensunterhalt als Imitator verdienen können.
«Weshalb haben Sie denn Craig nun angerufen?»
«Mattscheibe. Ich war betrunken. Vermutlich wollte ich
ihm mitteilen, daß ich eine Zeitlang weggehe.»
«Das hilft uns nicht weiter. Auch wenn Sie ihn erreicht
hätten, würde uns das wahrscheinlich nicht weiterhelfen.
Solange er nicht bestätigen kann, daß Sie genau um 21
Uhr 31 mit ihm gesprochen haben.»
Craig schlug mit der Faust auf den Tisch. «Dann werde
ich das eben sagen. Ich bin zwar gegen Meineid, aber auch
dagegen, daß Ted ins Kittchen wandert für etwas, das er
nicht getan hat.»
«Dafür ist es zu spät. Sie haben bereits eine Aussage
gemacht, Wenn Sie die jetzt widerrufen, verschlimmern
Sie die Sache nur.»
Bartlett überflog die Unterlagen, die er aus seiner
Aktenmappe genommen hatte. Ted stand auf und trat ans
Fenster. Er hatte vorgehabt, drüben im Kurzentrum eine
Weile zu trainieren. Aber Bartlett wollte sich nicht von
dieser Besprechung abbringen lassen. Seine Freiheit
wurde bereits eingeschränkt.
Wie oft war er in den drei Jahren ihrer Beziehung mit
Leila nach Cypress Point Spa gekommen? Acht- bis
zehnmal vermutlich. Leila war gern hier. Sie hatte sich
amüsiert über Mins Herrschsucht, über die
Aufgeblasenheit des Barons. Sie hatte die ausgedehnten
Spaziergänge an der Steilküste genossen. «Schon gut,
Falke, dann geh eben zu deinem verdammten Golfspiel,
wenn du nicht mitkommen willst, und wir treffen uns dann
später bei mir.» Dazu dieses aufmunternde Zwinkern, der
vielsagende Seitenblick, die langen, schlanken Finger, die
ihm über die Schultern strichen. «Mein Gott, Falke, du
wirkst auf mich wie eine Droge.» Oder wenn er sie in den
Armen hielt, während sie auf der Couch lagen und sich
Filme im Spätprogramm ansahen. Ihr leises Murmeln:
«Min hütet sich, uns eins von ihren verdammt schmalen
antiken Möbeln zuzumuten. Sie weiß, wie gern ich mit
meinem Bettgenossen schmuse …» Hier, an diesem Ort,
hatte er die Leila gefunden, die er liebte, die Leila, die sie
selbst sein wollte.
Was sagte Bartlett? «Entweder versuchen wir,
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