Der Mord zum Sonnntag
Nichtraucher Platz finden. Es gab keine feste Sitzordnung,
bis auf die Gäste, die an Mins und Helmuts Tisch gebeten
wurden. Als Elizabeth in der Tür zum Pazifiksaal
auftauchte, winkte sie die Gräfin d’Aronne an einen Tisch.
Sie merkte rasch, daß diese Lösung einen Haken hatte:
Von ihrem Platz aus konnte sie direkt auf Mins Tisch
nebenan blicken. Es war eine Art Déjà-vu-Erlebnis, als sie
dort alle zusammensitzen sah: Min, Helmut, Syd, Cheryl,
Ted, Craig.
Außerdem gab es noch zwei Tischgenossen:
Mrs. Meehan,
die
Lotteriegewinnerin, und einen
soignierten älteren Herrn, den sie mehrmals dabei
ertappte, wie er zu ihr hinüberblickte.
Irgendwie brachte sie das Dinner hinter sich, würgte ein
paar Bissen Fleisch und Salat hinunter, machte angestrengt
Konversation mit der Gräfin und ihren Freunden. Doch
immer wieder stellte sie fest, daß sie Ted wie magisch
angezogen beobachtete.
Die Gräfin merkte das natürlich. «Trotz allem sieht er
doch phantastisch aus, nicht wahr? Ach, verzeihen Sie,
meine Liebe. Ich hatte mir geschworen, ihn mit keiner
Silbe zu erwähnen. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß
ich Ted seit seiner Kindheit kenne. Seine Großeltern sind
regelmäßig mit ihm hiergewesen. Damals war Cypress
Point ja noch ein Hotel.»
Wie üblich stand Ted, selbst unter lauter Prominenz, im
Mittel-Punkt. Alles, was er tut, geschieht mühelos, wie
selbstverständlich, dachte Elizabeth – die Kopfbewegung,
mit der er sich aufmerksam Mrs. Meehan zuwendete, das
ungezwungene Lächeln, mit dem er jeden Gruß erwiderte,
die Art, wie er Cheryls Hand in die seine schlüpfen ließ
und sich dann unauffällig wieder befreite. Mit
Erleichterung registrierte sie seinen frühen Aufbruch,
gemeinsam mit Craig und dem älteren Herrn.
Sie blieb nicht zum Kaffee, der im Musiksalon gereicht
wurde, sondern eilte über die Veranda zurück zu ihrem
Bungalow. Der leichte Nebel hatte sich verzogen, es war
eine sternklare Nacht. In das Tosen der Brandung
mischten sich ferne Celloklänge. Nach dem Dinner gab es
regelmäßig ein musikalisches Programm. Elizabeth wurde
von einem starken Gefühl der Isolation erfaßt, von einer
unbestimmbaren Traurigkeit, die über Leilas Tod
hinausging. Es hing auch nicht damit zusammen, daß sie
sich ausgerechnet hier und jetzt in Gesellschaft dieser
Menschen wiederfinden mußte, die einmal ein fester
Bestandteil ihres Lebens gewesen waren. Syd, Cheryl,
Min. Sie kannte sie seit ihrem achten Lebensjahr. Der
Baron. Craig. Ted.
All diese Menschen waren lange Zeit Weggefährten
gewesen, die sie für enge Freunde gehalten hatte und die
jetzt geschlossen gegen sie antraten, die mit Leilas Mörder
sympathisierten, die nach New York kommen und für ihn
aussagen würden.
Bei ihrem Bungalow angelangt, zögerte Elizabeth und
beschloß, eine Weile draußen zu sitzen. Die Veranda war
komfortabel ausgestattet – eine gepolsterte
Hollywoodschaukel und passende Liegestühle. Sie ließ
sich in einer Ecke der Schaukel nieder und brachte sie zum
Schwingen. Hier im Dunkeln konnte sie die Lichter des
großen Hauses sehen und ruhig über die Menschen
nachdenken, die an diesem Abend dort so unvermittelt
aufeinandergetroffen waren.
Auf wessen Veranlassung?
Und aus welchem Grund?
11
«Für ein Dinner mit neunhundert Kalorien war es gar nicht
schlecht.» Henry Bartlett kam aus seinem Bungalow, in
der Hand einen eleganten Lederbehälter. Er stellte ihn auf
den Tisch in Teds Wohnzimmer und öffnete ihn: eine
Minibar für die Reise. Nachdem er eine Flasche
Courvoisier und Kognakschwenker entnommen hatte,
wandte er sich fragend an die beiden:
«Na, wie war’s?»
Craig nickte zustimmend, Ted schüttelte den Kopf.
«Schnaps ist in Cypress Point tabu, das wissen Sie doch.»
«Wenn ich – oder sollte ich besser sagen Sie? – über
siebenhundert Dollar täglich für meinen Aufenthalt hier
zahle, dann entscheide ich, was ich trinke.»
Damit schenkte er großzügig ein, reichte das eine Glas
Craig und ging mit dem anderen zu der gläsernen
Schiebetür. Der Schein des Vollmonds und das Funkeln
der unzähligen Sterne ließen eine weite Wasserfläche
silbrig aufblitzen; dazu das Meeresrauschen, das
Crescendo der heranrollenden Wogen, die sich donnernd
am Ufer brachen. «Der Stille Ozean …», kommentierte
Bartlett. «Wieso man ausgerechnet auf den Namen
gekommen ist, werde ich nie begreifen. Schon gar nicht,
wenn ich diese gewaltige Brandung höre.» Und
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