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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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etwas.
    »Bist du nicht hungrig?«, fragte ich.
    »Um ehrlich zu sein, ich hab keinen Appetit. Iß du dein Abendbrot.«
    »Wenn du nichts ißt, esse ich auch nichts. Weshalb hast du keinen Appetit? Ist denn irgend etwas vorgefallen?«
    »Nein, nichts ist vorgefallen. Ich seufze nur über mein Pech.«
    Mir sank das Herz in die Knie, »Was ist geschehen? Sag es, Rahim, um Gottes willen. Was ist geschehen? Weshalb weichst du aus?«
    Mir schlotterten die Knie. Ich konnte kein Unglück mehr ertragen. Er zögerte und murmelte dann, »Wallah, ein angesehener Schreiner, einer, der Großaufträge übernimmt, Türen und Fenster von großen Gebäuden und Ämtern, der auch Tische und Stühle baut, er behauptet, man hätte die Anfertigung der Türen und Fenster der Paläste von Reza Shahs Söhnen ihm übertragen. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Jedenfalls ist dieser Mensch gekommen, hat sich meine Arbeit angesehen, und sie hat ihm gefallen. Vor einigen Tagen kam er zu mir und sagte, ›Ich will ein Drittel all meiner Aufträge dir übertragen. Aber die Auftraggeber dürfen es nicht erfahren, da sie mich kennen und die Aufträge wegen meines guten Rufs und meiner Geschicklichkeit mir übertragen haben. Sollten sie merken, daß ich die Arbeit dir anvertraut habe, würden sie ihre Aufträge zurückziehen. Bist du damit einverstanden?‹«
    Aufgeregt und hastig sagte ich, »Nun, dann hättest du annehmen sollen. Du hättest sagen sollen, du wärst einverstanden. Worauf wartest du noch?«
    »Nun ja, ich würde gern annehmen. Wenn ich drei oder vier dieser Aufträge übernehmen würde, könnte ich die Kunden kennenlernen, mir allmählich einen Ruf erwerben und selbst Aufträge übernehmen. Aber das Problem ist, daß er sagt, ich müßte auch Kapitaleinbringen. Aber ich hab doch keins. Man braucht Holz, Werkzeuge und tausend andere Kleinigkeiten. Mit leeren Händen geht es nicht!«
    »Wieviel Kapital ist denn nötig?«
    Er überlegte und sagte dann, »Es spielt keine Rolle, wieviel. Ich hab doch keinen Rial.«
    »Nun gut, dann muß man sich eine Lösung ausdenken. Leih es dir von jemandem, Rahim.«
    Beschämt senkte er den Kopf und sagte, »Ich habe ihm gesagt, ›Leihen Sie mir etwas Geld, damit ich das Material besorgen und mit der Arbeit beginnen kann. Sobald ich meinen Lohn erhalte, werde ich es Ihnen zurückzahlen.‹ Der gute hat nichts dagegen. Er hat es akzeptiert. Aber er sagt, ›Du mußt irgendein Pfand oder so etwas ähnliches hinterlegen.‹«
    Ich zerbrach mir den Kopf. Was war zu tun? Plötzlich schoß mir ein Gedanke durch den Kopf, »Also gut, Rahim, wie wär’s, wir verpfändeten das Geschäft?«
    »Nein, wie denn? Das Geschäft nützt doch nichts. Es ist zu klein. Es ist nicht soviel wert. Er akzeptiert es nicht.«
    Ich wunderte mich. Dennoch sagte ich, »Gut, dann verpfänden wir das Haus. Wie wär das? Reicht das oder nicht?«
    Er dachte nach und sagte, wobei er mit dem Finger Linien auf dem Teppich nachzog, »Meiner Meinung nach geht das in Ordnung. Aber er muß es ebenfalls akzeptieren. Tut er es nicht, verpfänden wir beides.«
    »Nun schlag ihm erst einmal das Haus vor und sieh zu, was er dazu sagt. Triff die Vorbereitungen. Ich habe gegen die Verpfändung des Hauses nichts einzuwenden.«
    Er hob den Kopf, sah mir aber nicht in die Augen. Er starrte an die Decke und sagte, »Nein, ich möchte nicht, daß du dich aufmachst und mit uns zum Notariat und sonstwohin gehst. Weshalb solltest du mit lauter Männern herumfeilschen? Willst du das Haus verpfänden?«
    »Na und, wo immer wir hingehen, gehen wir zusammen hin. Ich bin doch nicht allein!«
    »Nein, das gehört sich nicht. Wenn du das Haus verpfänden möchtest… schlage ich vor…«
    »Was schlägst du vor?«
    »Wie soll ich es sagen? Meiner Meinung nach… wäre es besser, du würdest das Haus… vorher auf meinen Namen überschreiben. Dann würde ich es verpfänden.«
    Ich fuhr zusammen. Ich war erleichtert, daß er mich nicht ansah, da ich ihn fassungslos anstarrte. Ich witterte Unrat. Schon von Anfang an hatten seine weitschweifigen Erklärungen mich nicht überzeugt. Im Grunde meines Herzens mißtraute ich ihm, wollte es mir jedoch nicht eingestehen. Ich wollte nicht, daß unsere gute Beziehung sich wieder verschlechterte. Ich sagte, »Was ändert es schon, Rahim Djan? Da gibt es doch kein dein oder mein! Wir gehen auf einen Sprung zum Notariat oder lassen den Notar zu uns nach Hause kommen, damit wir es hier unterschreiben.«
    Er sagte, »Ich kann doch

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