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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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würde er zu sich selbst sprechen, »Kann ich nicht einen Tag in dieses gottverdammte Haus zurückkehren, ohne daß es Zeter und Mordio gibt? Kann ich nicht auch nur eine Nacht ruhig schlafen? Mahbube, weshalb läßt du mich nicht in Frieden leben?«
    » Ich lasse dich nicht? Weshalb hast du jeden Tag ein Techtelmechtel mit einem anderen Frauenzimmer? Unter dem Vorwand, arbeiten zu wollen, bleibst du im Geschäft und machst Schweinkram? Sag mir doch, was mir fehlt? Bin ich blind? Bin ich taub? Oder hinke ich etwa? Da setzt du dich hin, schreibst eine Kalligraphie und schenkst sie diesem Mädchen, das aussieht wie eine Eule.«
    »Wer sagt denn, ich hätte ihr eine Kalligraphie geschenkt? Ich bin doch nicht lebensmüde. Du hast sie doch selbst gesehen! Sie sieht aus wie eine Eule, wie du es ausdrückst. Na ja, sie kommt ins Geschäft und provoziert mich. Ich schwör dir, ich hab einen Heidenrespekt vor ihren Brüdern. Ein, zwei Mal bin ich mit ihnen Schnaps trinken gegangen. Einmal hat das Mädchen eine Nachricht von ihren Brüdern überbracht. Das war’s. Nun läßt sie nicht mehr locker. Jedes Mal kommt sie unter einem anderen Vorwand ins Geschäft. Du willst also nicht, daß ich zum Mittagessen dort bleibe? Wird gemacht, ich tu’s nicht mehr. Mal sehen, ob du noch einen Vorwand findest? Soll ich etwa dich, Bassir ol-Molks Tochter, mit diesem Aussehen und dieser Würde, wie du es ausdrückst, aufgeben und die Tochter einer Frau heiraten, die Schrupplappen webt und Ssefidab herstellt? Wo ist dein Verstand geblieben? Möge ich tot umfallen,falls ich je wieder mittags ins Geschäft gehe. Mensch, es war ein Fehler! Ich bereue es! Bist du nun zufrieden?«
    Ich traute mich nicht, ihm zu sagen, daß ich alles gesehen hatte. Gesehen hatte, daß er selbst sie an der Hand gepackt und in das Geschäft hineingezogen hatte. Ich wollte in Frieden leben. Jetzt hatte er doch eingelenkt. Jetzt hatte er es doch bereut. Besser, daß ich ebenfalls einlenkte.
    Er kam und setzte sich neben mich, »Gießt du mir keinen Tee ein?« Ich schenkte ihm Tee ein und stellte ihn vor ihn hin. Er widerte mich an. Meine Hand zitterte. Er ergriff sie und küßte sie, »Siehst du, was du dir selbst antust? Wenn ich mit ansehen muß, wieviel Kummer du hast und wie du dich selbst aufreibst, blutet mir das Herz. Denk auch mal an mich. Ich bin doch nicht aus Stein. Wie ist es meinem Kind ergangen und wie meiner Frau, die ich allmählich verliere.«
    Bei der Erinnerung an meinen Sohn kamen mir erneut die Tränen, »Deine Mutter sagt, sie will dir eine andere Frau suchen. Sie sagt, ›Ich will, daß mein Sohn einen Erben hat.‹ Sie sagt…«
    »Sie soll sich unterstehen. Wenn ich ein Kind will, dann von dir, nicht von jeder dummen Pute. Ich begehre dich, Mahbub Djan. Ich will dein Kind. Hast du das noch immer nicht begriffen? Nun war es Gottes Wille, daß ich von dir kein weiteres Kind bekommen soll. Ich kann doch nicht gegen Gott und gegen das Schicksal ankämpfen. Soll ich heiraten und dich leiden lassen? Nein, Mahbube. So schlecht bin ich nun auch wieder nicht. Wir bleiben zusammen. Wir haben einen Bissen zu essen, den teilen wir uns. Solange wir leben, bleiben wir zusammen. Und wenn ich sterbe, bist du von mir erlöst. Komm nur gelegentlich an mein Grab und sprich ein Gebet für mich.«
    Ich warf mich ihm in die Arme. Die Tränen liefen mir übers Gesicht, »Sag das nicht, Rahim. Gott behüte. Und wenn schon, dann möge Gott mich vor dir sterben lassen. Wenn du heiraten willst, habe ich nichts dagegen. Geh und heirate.« Ich erinnerte mich an Nimtadj Chanums Großmut und ereiferte mich, »Überhaupt werde ich selbst die Ärmel hochkrempeln und dir eine Frau aussuchen. Aber nicht solch einen Müll, sondern die Tochter eines angesehenen Mannes. Ich werde dir eine anständige Frau beschaffen.«
    »Laß mich in Ruhe, Mahbube. Was soll ich mit einer zweitenFrau? Ich komm schon mit der ersten nicht zurecht. Du und meine Mutter, ihr seid wie Hund und Katze. Ihr habt mir meinen Seelenfrieden geraubt. Wehe, wenn eine Nebenfrau hinzukäme. Hör auf damit. Schenk uns einen Tee ein. Der hier ist ja kalt geworden.«
    Der Druck, der auf mir lastete, schwand. Ich war erleichtert. Wieder fiel sein liebevoller Blick in meine Augen. Wieder weckte sein spitzbübisches Lächeln Gefühle in mir, die ich für erloschen hielt. Ich war die Gefangene meiner Sinne. Ich war jung, sehr jung. Gerade erst einundzwanzig oder zweiundzwanzig, auch wenn ich den Kummer und die Schmerzen

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