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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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tollwütig geworden?«
    »Tollwütig ist dein Vater, der Hundesohn.«
    »Halt den Mund. Erwähn den Namen meines Vaters nicht.«
    »Ich soll den Mund halten?«
    Seine Ohrfeige traf blitzschnell mein Gesicht, und dann prasselten seine Fausthiebe und Fußtritte auf mich nieder. Als würde er sich für den vergangenen Monat entschädigen. Dann ließ er müde und wütend von mir ab und setzte sich auf das Fenstersims. Ich war gedemütigt und wie zerstört. Er fragte, »Wirst du das Haus auf meinen Namen überschreiben?«
    »Nein, nein und nochmals nein. Sobald du deine Ma’sume Chanum heiratest, wirst du auch ein Haus von ihr bekommen.«
    »Nein, ich werde kein Haus von ihr bekommen. Sie wird die Herrin dieses Hauses werden, und du wirst ihre Kinder bedienen. Ich bin doch nicht unfruchtbar, du bist es. Ich will Söhne. Ich will Erben. Meine Mutter hatte recht, ich brauche eine Stütze im Alter.«
    Ich erhob mich. Seine Mutter, die das Zimmer betreten hatte, sah entzückt zu. Erneut war der Waffenstillstand aufgehoben. Ich wandte mich an Rahim und lachte zornig, »Du bist ja sehr vornehm, oder? Sehr gelehrt? Würden deine Ländereien verwahrlosen? Fürchtest du, die Dynastie würde zugrunde gehen? Deshalb willst du einen Thronfolger! Nimm doch einmal an, du setzt ein paar mißratene Bälger in die Welt. Besser kinderlos bleiben, wenn du sienicht durchfüttern kannst. Ein paar Seifensieder und Messerstecher weniger. Ein paar Bettler und Wegelagerer weniger. Kinder mit einem Vater wie dir und der schielenden Ma’sume als Mutter sollte es besser nicht geben. Kinder, die sich in Staub und Dreck wälzen müssen, kahl oder blind werden und schließlich weiß Gott wo enden.«
    Erneut sprang er auf und schlug mir so kraftvoll ins Gesicht, daß mir übel wurde. Er schrie, »Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst die Klappe halten? Denkst du, du wärst besonders hübsch? Hast du dich schon im Spiegel gesehen? Du siehst aus wie eine Schwindsüchtige. Wie das heulende Elend… Ich sag’s dir, entweder überschreibst du mir dieses Haus oder du endest als Leiche.«
    Ich legte mir meinen Handrücken auf die Lippen. Als ich ihn wegnahm, triefte er vor Blut. Seine Mutter sagte gespielt wohlwollend, »Gute Frau, gib endlich Ruhe. Hör auf damit. Weshalb machst du ihn so wütend, daß er dich verprügelt? Du weißt doch, wie hitzköpfig dein Ehemann ist. Am Ende wirst du es ja doch tun müssen, also tu es bald und erlöse dich.«
    »Darauf könnt ihr lange warten.«
    Rahim schrie, »Du willst es nicht hergeben? Ich werd’s dir schon zeigen. Ich werde dir alle Kleider vom Leib reißen, so daß du zu Hause hocken und so lange hungern mußt, bis du zur Vernunft kommst.«
    Ungestüm lief er ins Nebenzimmer und nahm alles Geld, das in der Wandnische lag. Er öffnete mein Kästchen und nahm mein Geld und meine Diamantringe heraus. Er knurrte, »Verdammtes Weibsbild. Weder mit Güte noch mit Geschrei ist ihr beizukommen. Ich werde dir die Hölle heiß machen, daß dir Hören und Sehen vergeht.«
    Seine Mutter sagte, »Hab ich’s nicht gesagt? Sagte ich nicht, sie hat ein großes Mundwerk? Sagte ich nicht, verhätschle sie nicht so sehr, sonst kannst du sie nicht mehr im Zaum halten? Bitte schön, jetzt ist ihre Zunge so lang!…«
    Mit der rechten Hand schlug sie sich auf die linke Ellenbeuge – so lang. Ich sagte, »Nein, meine Liebe, ich hatte auch vorher ein Mundwerk. Alle haben ein Mundwerk. Niemand ist stumm. Nur wahren eben manche das Ansehen. Benehmen sich. Schamlosigkeit macht doch keine Mühe! Zurückhaltung fällt schwer. Die hat nichtjeder. Aber das kümmert Sie nicht. Denken Sie, ich würde mir alles gefallen lassen, weil ich zu Anfang nachgegeben habe? Es war meine Schuld. Möge ich verflucht sein, daß ich es selber getan habe. Geschieht mir ganz recht, daß ich es erdulden muß. Vom ersten Jahr an hab ich es bitter bereut. Ich hab begriffen, daß ich das schlimmste Exemplar gewählt hatte. Alle hab ich fahren lassen, nur um mich an Ihren Sohn zu hängen…«
    Sie schnitt mir das Wort ab, »Nein, meine Liebe, hättest du einen besseren als meinen Sohn gefunden, hättest du den nicht fahren lassen. Wahrscheinlich hast du niemand anderen als meinen Sohn verdient…«
    Rahim stürzte, ohne uns zu beachten, aus dem Nebenzimmer herein und fragte, »Wo ist dein Kollier?«
    Entsetzt wich ich zurück. An diesem Abend hatte ich seinetwegen das Kollier umgetan. Es war ein Erinnerungsstück meines Vaters. Ich legte meine Hand darauf, »Ich

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