Der Morgen der Trunkenheit
Mutter des Bräutigams, die sich aufgeplustert an das Kopfende des Zimmers gesetzt hatte. Dann der Schwester des Bräutigams, die entweder älter war als die Schwiegertochter oder deren ungeheure Häßlichkeit sie älter erscheinen ließ. Dann der großen Schwiegertochter, die außerordentlich hübsch, würdevoll und charaktervoll war, und schließlich der schwarzen Amme, bei der ich sofort fühlte, daß ich sie mochte. Sie sagte, während sie lächelnd den Tee nahm: »Mashallah, mögest du lange leben, meine Tochter. Ist der Tee von Mädchenhand gebraut?«
Auf diesen Scherz hin mußte ich lächeln, damit sie sahen, daß meine Zähne in einer Reihe standen und in Ordnung waren.
»Ausgezeichnet, was für Zähne, sie gleichen Perlen.«
Meine eigene Amme stand an der Zimmertür bereit. Ich kehrte um, und wollte mit dem Teetablett hinausgehen. Die Mutter des Bräutigams fragte mit lauter Stimme: »Wohin, Mahbube Chanum? Bleiben Sie doch da, damit wir ein paar Minuten von ihrer Gegenwart profitieren können.«
Ich gab der Amme das Tablett, die es aus dem Zimmer trug. Folgsam kehrte ich um. Die schwarze Amme öffnete ihre Arme: »Komm her, mein Mädchen, damit ich dich küssen kann. Solch einen Tag hatte ich mir für meinen Sohn gewünscht.«
Sie umfaßte mich unter den Achseln und küßte mich kräftig auf beide Wangen, so daß die Feuchtigkeit ihres Mundes darauf zurückblieb. Ich wußte, daß sie prüfen wollte, ob ich nicht unter den Achselhöhlen schwitze. Ob ich Mundgeruch habe. Das Ergebnis aller Prüfungen war gut und positiv. Schließlich hatte mich meine Mutter so stark parfümiert, daß die Ärmste zweifellos ebenso wie ich bis in die Nacht hinein Kopfschmerzen haben würde. Ich setzte mich. Legte meine Hände auf den Rock, senkte den Kopf und beantwortetemit weicher und sanfter Stimme die Fragen mit Ja und Nein. Welch folgsames Mädchen!
Meine Mutter sagte: »Bitte, kosten Sie das Baqlava. Mahbube Djan hat es selbst gebacken.«
Meine ganze Kunst im Backen des Baqlava bestand darin, die Amme zur Vorratskammer zu führen, die Schlösser der Zuckerkannen zu öffnen, ihr die Pistazien und Mandeln auszuhändigen und zum Schluß das Baqlava auf dem Tablett aufzuschneiden und den Zuckersirup darüber zu verteilen.
Die Schwester des Bräutigams musterte mich von Kopf bis Fuß: »Bravo, was für ein Baqlava. Es zergeht einem im Mund.«
Die zukünftige Schwägerin sagte, um nicht als neidisch zu gelten: »Es ist doch offensichtlich, daß Mahbube Chanum in allen Künsten bewandert ist. Sie ist sowohl hübsch als auch talentiert.«
Ich hob den Kopf und betrachtete sie. Sie war wirklich hübsch anzusehen mit ihren verträumten schwarzen Augen, den breiten, zusammengewachsenen Brauen, ihrer schmalen Nase, den vollen Lippen und der überaus zarten weißen Haut.
Nozhat, die neben meiner Mutter saß, bemerkte scharfsinnig: »Nun, das ist doch klar. Die Gnädige Frau hat einen guten Geschmack. Sie hat die Schwiegertöchter einzeln ausgewählt.«
Die hübsche Schwiegertochter lächelte lieblich und voller Charme und errötete.
Heimlich musterte ich meine Brautwerberinnen. Ich fragte mich, ob diese geehrten, angesehenen Damen mit all ihrer Ziererei auch nur im mindesten ahnen konnten, daß ich mein Herz an den Schreinergesellen unseres Viertels verschenkt hatte. Daß ich diesem Leben mit all seinem Brimborium und Bediensteten den Rücken kehren wollte? Daß ich diese geehrten, schmuckbehangenen und in Parfüm eingehüllten Damen am liebsten abweisen und im Laufschritt zum Eingang jener kleinen, dunklen und ärmlichen Schreinerei eilen würde, die schwarz war vor Ruß, um mich wie ein Wachhund an ihrer Schwelle niederzulegen. Nur mich niederlegen und ihn betrachten, wie er Holz zersägte und wie sein Haar sich frei und ungezähmt auf seiner Stirn ringelte. Gott allein wußte, was für ein Palast mir dieses Lädchen zu sein schien. Welch einen Duft das Holz verströmte und welcher Himmelspforte dieses Geschäft glich.
Die Gnädige Frau, die Prinzessin, begann, ihren Sohn anzupreisen. Meine Mutter sagte: »Mahbub Djan, bring noch mal Tee.« Das sollte heißen, es reicht. Verlaß das Zimmer, damit sie nicht sagen, das Mädchen ist leichtfertig, aufs Heiraten versessen und bleibt aufmüpfig sitzen, um alles mit anzuhören und vor Wonne zu zerfließen.
Ich ging eben am Stuhl der Mutter des Freiers vorbei, als sie meine Hand ergriff: »Nein, Djanam, wohin denn? Setz dich hierhin, gleich neben mich. Sind diese zarten Hände
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