Der Morgen der Trunkenheit
einmal ihre Kutsche gesehen. Beim Allmächtigen, kein Stäubchen war an ihr zu entdecken. Was, Mahbube Djan? Warum sitzt du denn so schmollend herum, Kind?«
»Weil ich nicht die Kutsche der Prinzessin heiraten will!«
Meine Mutter erwiderte: »Nun denn, das ist doch kein Grund zum Kummer, mein Kind. Wenn du nicht ihre Kutsche heiraten willst, dann nimm halt ihren Sohn.«
Meine Mutter, Nozhat und die Amme kugelten sich vor Lachen. Erzürnt stand ich auf, stellte mich ans Fenster, schlug mir die Hand auf die Brust und starrte in den frisch geputzten, frühlingshaften Hof. Meine Mutter unterbrach ihr Lachen und fragte: »Wie denn? Was gebärdest du dich denn so, Tochter? Was ist denn passiert? Haben sie etwas Schlimmes gesagt?«
Voller Zorn sagte ich: »Nein, sie haben nichts Schlimmes gesagt. Nur daß sich die Gnädige Frau ständig in Reden über ihre verstorbene Schwiegertochter und ihre goldlockige Enkelin erging.« Ich ließ die rechte Hand in der Luft kreisen und schwenkte dazu Kopf und Hals: »Meine Enkelin dies, meine Schwiegertochter das… Ich dachte, sie wären zur Brautwerbung gekommen. Dabei hatte sie nur ihre verschiedene Schwiegertochter im Kopf.«
Nozhat sagte: »Hör mal, warum bist du so ungerecht zu ihr? Hat sie dich denn nicht genug über den grünen Klee gelobt?«
Meine Mutter, die ein bißchen unsicher geworden war, sagte: »Nun ja, um gerecht zu sein, Mahbube hat das ganz richtig bemerkt. Das hat mir ebenfalls nicht besonders gefallen. Als ob sie von Anfang an reinen Tisch machen und dem Kind einen festen Platz sichernwollte. Es stimmt ja, daß das Mädchen bei der Großmutter wohnt, aber schließlich ist es seine Tochter.«
Erbittert fragte ich: »Und ihr könnt vor Entzücken, daß dieser mißgestaltete Sohn der Prinzessin gekommen ist, um mich zur Frau zu nehmen, nicht mehr an euch halten. Noch dazu mit einem Klotz am Bein, der…«
»Bravo, Mahbube Djan, bravo…«, fiel mir die Amme ins Wort, »jetzt kommt es noch so weit, daß sie den Sohn von Ata’od-Doule häßlich und mißraten nennt! Hättest du ihn gesehen, würdest du nicht so daherreden. Nun hast du es hier schon gesagt, aber sag das bloß nicht anderswo, sonst machst du dich zum Gespött der Leute.«
Ich traute mich ja nicht, meiner Mutter zu widersprechen, also wandte ich mich an meine ältere Schwester und sagte: »Schwesterherz, macht euch bloß nicht umsonst soviel Mühe wegen mir. Diesen Typ werde ich auf keinen Fall heiraten, und damit basta.« Ich hatte das so heftig gesagt, daß ich selbst erschrak.
Meine Schwester spitzte die Lippen und sagte: »Pah…! Was geht mich das überhaupt an? Ob du nun seine Frau wirst oder nicht, was hätte ich schon davon?«
Die Amme verließ knurrend das Zimmer, um mit Hilfe der Großtante den Empfangssalon wieder herzurichten.
Meine Mutter fragte: »Warum, Mahbub Djan? Du willst dich doch nicht etwa zieren?«
»Nein, Mutter, wie sollte ich mich denn zieren? Aber ich habe ihn doch noch gar nicht gesehen. Ich weiß überhaupt nicht, wie er aussieht. Soll ich einfach seine Frau werden, ohne ihn gesehen zu haben oder zu kennen? Dazu noch mit einem Kind?«
»Das Kennen geht dich nichts an. Dein Vater muß ihn kennen, und das tut er. Und wenn er ein Kind hat, dann hat er es eben. Das betrifft dich nicht. Es wird im Haus seiner Großmutter großgezogen. Die Prinzessin, die Ärmste, hat es ja ständig wiederholt. Gott sei Dank ist sie ja auch nicht unvermögend, so daß sie dir zur Last fallen könnte oder dich zu kurz kommen lassen würde. Bleibt also nichts weiter, als ihn zu sehen.« Sie überlegte eine Weile und sagte dann: »Nun, zu sehen gibt’s nichts. Er ist halt ein Mann. Alle Männer sind gleich.«
Nozhat lachte schallend: »Wai, Frau Mama, was reden Sie dennda? Alle Männer sind gleich? Wenn also Mahbube beispielsweise Hadj Ali sehen würde, hieße das, sie hätte den Sohn der Prinzessin gesehen?«
Diesmal mußte auch ich lachen. Hadj Ali, unser alter, halb tauber Koch mit seinem krummen Rücken, den Augen, die vor lauter Anblasen des Feuers unter den Kochtöpfen stets gerötet waren, dem grauweißen Stoppelbart, den fleischigen Lippen und großen Ohren und dem schütteren, borstigen Haar, das ihm wie Spieße vom Haupt abstand, konnte wirklich als gutes Beispiel für einen vollkommenen Mann gelten.
Nozhat sagte: »Gnädigste wollen also einen Blick auf ihn werfen?«
»Natürlich, was denn sonst? Darf ich nicht sehen, wessen Frau ich werden soll?«
Nozhat fragte: »Wenn
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