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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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denn zum Arbeiten nicht zu schade? Genau, setz dich auf diesen Stuhl hier. So ist es recht. Deine Frau Amme wird die Mühe auf sich nehmen, den Tee zu servieren.«
    Nein, ich schien ihnen ungemein zu gefallen. Meine Mutter, die vor Freude kaum an sich halten konnte, sagte: »Aber Verehrteste, seit wann gilt denn Teeservieren als Arbeit? Davon gehen doch nicht die Hände kaputt. Reden sie nicht so vor ihr, sonst wird sie noch eingebildet, und man muß sie künftig auf Rosen betten«, und sie lachte.
    Meine Mutter verfügte über anziehende Gesten und Umgangsformen. Ich weiß nicht, wie es kam, daß sie jeden, mit dem sie sprach, für sich einnehmen konnte. Diese Art von Umgänglichkeit lag in ihrer Natur. Sie selbst pflegte zu sagen: »Bei Gott, ich habe die Herzen aller gewinnen können, außer das von Keshwar-Chanum.« Sie meinte meine Tante.
    Die Prinzessin sagte: »Selbstverständlich müssen Sie sie auf Rosen betten. Dieser Platz gebührt all meinen Schwiegertöchtern.«
    Nozhat lachte, wandte sich an die hübsche, junge Frau und sagte: »Da können Sie ja von Glück reden.«
    Die hübsche Schwiegertochter wiegte leicht den Kopf und lächelte bitter. Sie sagte weder Ja noch Nein. Das bedeutete, macht euch selbst einen Reim darauf, und hieß, daß die Prinzessin zu jener gewissen Sorte von Schwiegermüttern gehörte.
    Die Prinzessin bemerkte wie jemand, der einen Schlußpunkt setzen wollte: »Ja, Werteste, die Verstorbene war mir ebenfalls lieb und teuer. Und jetzt, schwöre ich Ihnen, ist ihr Töchterchen mein auserwählter Liebling. Es ist meine Vertraute geworden, dieses winzige Kind. Mahbube Djan soll sich bloß keine Sorgen machen. Ra’nawerde ich selber großziehen, bei mir selbst, als wäre es mein Augapfel.«
    Wir wußten, daß der Freier eine Frau gehabt hatte und ein Kind. Seine Cousine war ihm schon beim Durchtrennen ihrer Nabelschnur versprochen worden. Vor ein, zwei Jahren war sie während der Geburt verstorben, und das Kind war am Leben geblieben. Allerdings spielte derlei damals keine Rolle, schon gar nicht, wenn der Freier jung und so vermögend war, daß allein der Ring am kleinen Finger seiner Mutter die Größe eines Taubeneis besaß. Ein Bräutigam aus dem Hochadel, der im Ausland studiert hatte. Damit stand alles fest.
    Die Mutter des Freiers sagte: »Ach, meine Liebe, dieses Kind ist so unbeschreiblich süß. Ich kann nicht einmal sein Stirnrunzeln ertragen, geschweige denn seine Tränen sehen.« Sie träufelte mir Honig in die Ohren.
    Die Großtante brachte die Wasserpfeife. Sie reichte Süßigkeiten und Fruchtsäfte herum, und die Gnädige Frau erzählte von sich und pries ihren Sohn, wie modern er sei. Mit welcher Gewandtheit er sich unterhalten könne – was nicht verwunderte, wenn er seiner Mutter nachgeschlagen war. Sie pries seine Figur und sein gutes Aussehen, wobei ich hoffte, daß er nicht seiner Schwester gliche. Gleichwohl beteuerte sie, ihn nicht loben zu wollen.
    Es wurde Zeit zum Gehen, und ich atmete erleichtert auf. Wir alle begleiteten die Prinzessin höflich bis zur Tür. Sie selbst, ihre Tochter und ihre Schwiegertochter wiederholten ständig: »Wir kennen den Weg selbst. Machen Sie sich doch keine Umstände. Sie brauchen uns doch nicht zu begleiten. Wir sind ganz beschämt.«
    Im letzten Moment drehte sich die Gnädige Frau um, küßte mich und sagte, erneut an meine Mutter gewandt: »Wir sind mit Ihrer Tochter sehr einverstanden. Ihre Augen sind bezaubernd. Sie haben wirklich ein prächtiges Kind geboren.«
    Meine Mutter lachte: » Ihre Augen sind schön, Verehrteste. Mögen Sie lange leben. Seien Sie stets willkommen. Haben Sie vielen Dank!«
    Nozhat zupfte mich von hinten am Kleid. Das bedeutete, daß ich ins Haus zurückkehren sollte.
    Im Nebenzimmer wurde gefeiert. Meine Mutter war außer sichvor Freude. Meine Amme schnalzte mit den Fingern. Nozhat wiederholte ständig: »Habt Ihr ihre Ringe gesehen, liebe Mutter? Habt Ihr gesehen, was für ein Kollier die Schwiegertochter angelegt hatte?«
    Meine Amme sagte: »Djanam, schließlich sind sie von edler Herkunft und stammen aus einer angesehenen Familie. Selbst die Amme des Freiers war eine richtige Dame.«
    Meine Mutter bemerkte, um sie für sich zu gewinnen und noch mehr in ihre eigene Freude mit einzubeziehen: »Die Amme der Braut war auch nicht von schlechten Eltern.«
    Meine liebe Amme: »Wai, Chanum Djan, mit Ihrer Zunge könnten Sie sogar eine Schlange aus ihrem Loch hervorlocken. Dabei habt ihr noch nicht

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