Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
Vom Netzwerk:
Wenn ich mir etwas zusammengespart habe, gehe ich auf die Militärschule.« Ich sagte, »Aha, das ist eine gute Idee. Obwohl es schade wäre, wenn man Ihre Locken abschneiden würde.« Wieder blieben wir still. Ich freute mich. Also wollte er es zu etwas bringen. Als ich ihn mir in Uniform vorstellte, wurde ich erst recht schwach. Ich wartete, bis ein, zwei Personen in der Nähe vorbeigegangen waren. Ich streckte meine Hand aus und sagte: »Das gehört Ihnen.«
    Wieder erschien jenes bezaubernde Grinsen um seine Mundwinkel. Seine Augen lachten, und er starrte mich durchdringend an, als könnte er meine Gedanken lesen.
    »Es gehört mir?«
    »Ja.«
    Er lachte, und ich sah seine Zähne.
    »Was ist es denn?«
    »Nehmen Sie, Sie werden es schon merken.«
    Rasch trat er vor und ergriff unvermittelt mein Handgelenk. Beide erstarrten wir auf der Stelle. Seine Hand war kräftig und rauh. Er drückte mein Handgelenk so kräftig, daß ich, hätten wir gekämpft, vor Schmerz geschrien hätte. Doch jetzt wünschte ich mir, daß dieser Zustand bis ans Ende der Welt anhielte. Es dauerte jedoch nur einen Augenblick. Er nahm das Papier aus meiner Hand. Ich ging nach Hause. Es gab keinen Weg zurück, ich hatte alle Brücken hinter mir abgebrochen. Bis es Nacht wurde, küßte ich meine Hand zwanzig Mal. Als ich am Morgen erwachte, wusch ich mir nur widerwillig Gesicht und Hände.»Mahbub Djan, dein lieber Onkel und Mansur sind zu deinem Herrn Papa gegangen und haben um deine Hand angehalten. Was sagst du dazu?«
    Ich fragte, »Was hat Papa gesagt?«
    »Er hat gesagt, ›Ihre Mutter und ich wünschen es uns ja aus ganzem Herzen, nichts wäre uns lieber. Doch erlaubt bitte, daß wir auch das Mädchen nach seiner Meinung fragen.‹«
    »Ach, was für ein Wunder, daß ihr auch das Mädchen nach seiner Meinung fragt! Das Mädchen sagt nein.«
    Meine Mutter erhob sich, »Schon gut, hab dich nicht so! Alles Gefeilsche hat seine Grenzen. Wessen Frau würdest du denn zum Beispiel werden wollen? Weißt du, wen Ata-od-Doules Sohn, vor dem du dich so geziert hast, geheiratet hat? Die Tochter von Abdul Ali Chan Sharif-ol-Tojar, ein Gedicht von einem Mädchen. Noch im Kindesalter, gebildet und wohlerzogen. Und der Vater ein Krösus. Trotz dieser Vorzüge war die Familie des Mädchens beim Empfang des Brautgelds dermaßen verunsichert, daß nicht viel gefehlt hätte, und sie hätten dem Bräutigam ein Brautgeld ausgesetzt…«
    »Na und, schön für Ata od-Doules Sohn.«
    Zornig erwiderte meine Mutter, »Und was für Anstalten machte die Gnädigste? Er hat ein Kind; seine Mutter spricht zuviel über ihre verstorbene Schwiegertochter; erst muß ich den Jungen sehen. Und dann hast du den Mensch in Nozhats Haus gelockt und ihn maßlos erniedrigt. Hast nein gesagt. Gehört sich so etwas? Ich verstehe ja nicht, was derlei Anstalten bedeuten!« Und dann sagte sie, gerade so als hätte ich ihr keine Absage erteilt und als kostete sie einen süßen Traum aus, »Wenn wir deine und Chojastehs Hochzeit auf denselben Abend legen könnten –«
    Entrüstet sagte ich, »Chanum Djan!«
    »Ja, so ist es am besten. Die Hochzeitseinkäufe erledigen wir für euch gemeinsam. Beide gleich. Für die Mitgift alles doppelt. Die Ringe gleich und das Brautgeld gleich hoch. Ja, dein lieber Onkel hatte Recht. Drei Glücksfälle in einem Jahr. Ein Sohn und zwei Schwiegersöhne.«
    Es nützte gar nichts. Ich mußte mir etwas anderes einfallen lassen. Meine Eltern hatten sich entschieden. Diesmal war die Sache ernst. Ich mußte es ihnen sagen. Aber wie? Ich traute mich nicht. Es würde einen Aufstand geben. Aber vielleicht danach, nachdemmein Vater Rahim gesehen hätte, seine Art und seinen Umgang gesehen hätte. Wenn er wissen würde, daß er Offizier werden wollte, und wenn er seine Gestalt gesehen hätte – wie ich sie sah –, vielleicht würde er ihn dann ins Herz schließen. Vielleicht würde Papa sich meiner erbarmen. Vielleicht würde er mich mit ihm verheiraten und ihn ins Haus nehmen und ihm helfen. Bis er auf die Militärschule ginge. Bis er sich selbst ernähren und auf eigenen Füßen stehen könnte. Dann würden wir uns ein eigenes Haus kaufen…
    Wie einfältig ich doch war. Ich träumte vor mich hin. Ich wußte nicht, daß man ebenso gut Stoff und Papier hätte verbinden können, wenn man das adlige Blut meines Vaters mit dem gewöhnlichen Blut Rahims des Schreiners vermischen wollte. Allein der Gedanke war eine Sünde, reiner Wahnsinn.
    Tage und Nächte

Weitere Kostenlose Bücher