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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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blieb das Herz stehen, »Geht nicht!«
    »Warum nicht?«
    »Sie wollen mich mit meinem Cousin verheiraten.«
    Das Lächeln erstarb auf seinen Lippen. »Oh!« Er verstummte. Den Kopf hatte er gesenkt, wie schmollend. Er war gekränkt. Mit der Schuhspitze wirbelte er die Holzspäne durcheinander. Er hob den Kopf und starrte auf die Wand ihm gegenüber. Ich sah nur sein Profil, das mir sehr gefiel. Dieser Hals. Seine Halsader pochte. In kämpferischem Ton fragte er, »Willst du auch?«
    »Nein.«
    Stille breitete sich aus. In Gedanken versunken betrachteten wir beide den Boden. Schließlich sagte ich, »Ich gehe gerade zum Haus meiner Schwester, um ihr zu sagen, daß ich den Cousin nicht will.«
    »Gut, dann wird sie sicher fragen, wen du willst.«
    »Den Schreiner unseres Viertels, werde ich sagen.«
    Mit lauter Stimme lachte er, und was für ein herrliches Lachen. Er sah mich an. Ich floh nicht vor seinem Blick, obwohl mein Gesicht vor Scham glühte. Er fragte, »Stimmt das?«
    »Ja.«
    »Dann laß mich doch zur Brautwerbung kommen.«
    »Nein, warte noch. Die Zeit ist noch nicht reif. Warte ab. Erst muß meine Schwester es meinen Eltern sagen. Danach sage ich dir Bescheid.«
    Wieder fragte er erstaunt, »Du bist also tatsächlich bereit, meine Frau zu werden? Die Frau von mir Habenichts?«
    Er sah erst sich an, dann mich. Als wollte er unterstreichen, daß er ein Habenichts ist. Jede seiner Gesten war begehrenswert. Die rechte Hand hatte er auf den Tisch aufgestützt. Mein Blick ruhte auf ihm. Ich sagte, »Ja.«
    Seine Augen lachten. Er schüttelte den Kopf zum Zeichen des Kummers und Bedauerns. Seine Locken ringelten sich auf seiner Stirn. Er fragte, »Ist es nicht schade um dich?«
    »Was hast du denn für einen Fehler?« fragte ich.
    »Mein Fehler ist, daß ich mich mit leeren Händen verliebt habe.«
    Ich lachte und sagte, »Gerade darin liegt der Reiz«, und ging zum Haus meiner Schwester. Unterwegs sah ich zehn Mal das Haarbüschel an. Von schöner Farbe und schwungvoll; dasselbe, das ihm ins Gesicht glitt.
    Wieder zog Tantchen ein Tütchen aus der hölzernen Truhe und reichte es Sudabeh. Das Tütchen enthielt ein Haarbüschel, das auf ein weißes Blatt Papier aufgeklebt war. In Sudabehs Augen war es nichts Besonderes oder Außergewöhnliches. Die kräftigen, angerauhten und leicht gewellten Haarsträhnen waren aufs Papier gepreßt und mit der Zeit zerfasert. An einigen Stellen waren sie zerknickt und fast gebrochen. Tantchen sah die Haare an. Als sei sie in die Vergangenheit zurückgekehrt, als hätte sie dieses Päckchen soeben erhalten. Sudabeh war Tantchens wegen ebenso aufgewühlt wie diese. Tantchen fuhr fort:
    Meiner Schwester sagte ich, »Ich bin zum Mittagessen zu euch gekommen.« Obwohl mein Verhalten sie ein wenig verwunderte, äußerte sie ihre Freude. Sie fragte mich nach dem Befinden aller, und ich spielte mit ihrem Söhnchen, war jedoch in Gedanken woanders. Gelegentlich gab ich ungereimte Antworten. Fragte sie beispielsweise, wie es Manuchehr gehe, antwortete ich, er sei bei der Amme. Der Neffe in meinen Armen begann zu weinen, und zerstreut klopfte ich ihm sachte auf den Rücken und starrte auf den Teppich vor meinen Füßen. Da meine Schwester keine Milch hatte, stillte eine junge Amme ihr Kind. Ihr Sohn war anderthalb Jahre alt und noch immer nicht entwöhnt. Erstaunt nahm ihn meine Schwester mir aus dem Arm und vertraute ihn der Amme an, damit sie ihn wegbrachte und stillte. Dann kam sie und setzte sich neben mich und fragte, »Nun, was gibt es Neues?«
    »Es ist beschlossen, daß wir für eine Woche nach Shemiran in Onkelchens Garten fahren.«
    »Hat Agha Djan wieder Lust auf Rebhuhnjagd?«, fragte meine Schwester.
    »Nein, dieses Mal wollen sie sich über Mansur und mich einigen.«
    Meine Schwester strahlte über das ganze Gesicht, »Du Schelm, ich hab doch gemerkt, daß du zerstreut bist. Sag bloß, diese Verwirrung und Zerstreutheit war nicht ganz grundlos. Wunderbar, dann wünsche ich dir viel Glück.« Sie setzte sich näher zu mir und fragte aufgeregt, »Sag schon, erzähl. Hat Mansur um deine Hand angehalten? Was hat er gesagt? Mansur ist wirklich ein liebenswerter junger Mann…«
    Ich stand auf, ging zum Fenster und stützte mich auf, »Möge Gott ihn seiner Mutter erhalten.«
    »Kümmer dich nicht um Eftechar ol-moluk. Mansur ist auf keinen Fall wie sie. Er ist ihr nicht nachgeschlagen. Als sei er gar nicht der Sohn dieser Mutter. Hab keine Angst, Onkel Hadji wird schon selbst mit

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