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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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weitläufig, daß in seinen Hof und seine prächtigen Gebäude nie ein Laut gedrungen war. Nicht wie in dieses Haus von der Größe einer Walnußschale. Weshalb war dieses Viertel so laut und überfüllt? Die ohrenbetäubenden Schreie des Beckenreinigers, des Rote-Beete-Verkäufers und der fahrenden Händler. Die Rufe ›Wir kaufen alte Kleider, Schuhe, Mäntel, Jacken…‹ Das Gekreisch der Kinder. Das Kommen und Gehen der Passanten, ihre Gespräche und bisweilen das Geräusch von Pferdehufen und Rädern von Kutschen oder Karren. Ich horchte stets sorgfältig auf diese Geräusche und verglich sie mit denen unseres Viertels.
    Die schlimmste Prozedur war das Ablassen des Beckenwassers in den Nächten, in denen die Reihe an uns war. Der Wassermeister des Viertels kam, und das Gefeilsche, ja Streiten der Nachbarn ums Wasser begann. Ich blieb im Bett. Da das Wetter allmählich kühl gewordenwar, zog ich die Bettdecke bis ans Kinn und lauschte der Unterhaltung des Wassermeisters mit Rahim, dem Hin und Her und dem Einlassen des Wassers in Reservoir und Becken. Anschließend kam Rahim herein. Er rieb sich die Hände und sagte, »Huh… allmählich wird es kühl.«
    »Was für ein Lärm und Hin und Her. Was hattet ihr denn zu tun?«
    »Pah, welcher Lärm, Chanum Djan? Du hast ja keine Ahnung. Dieses Viertel ist doch sehr angenehm, meine Liebe. Du hättest unser Viertel erleben müssen!«
    Ich fragte ihn nicht, wie es in seinem Viertel gewesen war. Ich wollte es nicht wissen. Ich war beruhigt, daß Rahim klugerweise sowohl das Becken als auch das Wasserreservoir hatte auffüllen lassen und nun halb erfroren aus der herbstlichen Luft zu mir zurückkehrte.
    Meine andere Sorge galt dem Hammam . Hier gab es kein häusliches Bad, ich mußte ins öffentliche gehen. Und es gab keinen, der meine Bündel und Badeutensilien zum Hammam brachte. Ich mußte mir mein Bündel wie die liebe Amme und Dadde Chanum selber unter den Arm klemmen. Wollte ich ins Hammam gehen, grämte ich mich schon am Tag zuvor. Ich packte ein kleines Bündel mit dem Allernotwendigsten, um es unter dem Tchador tragen zu können. Ich ging früh hin und verlangte eine Badewärterin. Hier war ich nicht wie in unserem Viertel bekannt. Die Badewärterinnen übergingen die anderen nicht wegen meiner schönen Augen. Ich mußte warten, bis die Reihe an mir war, oder ich mußte mich selbst waschen. Hier lobte mich keine Badewärterin wegen meines schönen Körpers. Keine Spur von Massage oder Verhätschelung. Keine Spur von Abgusht und Sauer Eingelegtem vom Abend zuvor. Jedesmal, wenn Rahim ins Hammam ging, schlief ich, und er kehrte zurück, bevor ich erwacht war, worüber ich mich freute. Ich wollte ihn bei der Rückkehr vom Hammam nicht mit dem Bündel unter dem Arm sehen. Es erinnerte mich an Hadj Ali.
    Ein anderes Problem war das Wäschewaschen. Ich wußte nicht, was zu tun war. Unsere gesamte Wäsche war schmutzig und war in einem Winkel der Vorratskammer neben der Hoftür aufgestapelt.
    Als die Amme den ersten Monat kam und meine dreißig Tuman brachte, sagte ich, »Liebe Amme, laß unsere Wäscherin herkommen. Alle zwei Wochen einmal.«
    Besorgt sagte sie, »Nein, meine Liebe. Sie wird doch nicht den langen Weg bis hierher kommen. Bis sie ankommt, ist es Mittag.« Ich begriff, daß sie es nicht für ratsam hielt, daß die Wäscherin meine Lebensumstände kennenlernte.
    »Was soll ich sonst tun?«
    »Ich werde eine hier aus der Umgebung finden. Ich muß den Ladeninhabern Bescheid sagen, daß sie nach einer Ausschau halten.«
    An diesem Tag wusch die Amme unsere Kleider, und es gelang ihr vor Monatsende eine dünne, fleißige Frau für uns ausfindig zu machen. Die hieß Mohtaram und kam alle zwei Wochen, um unsere Kleider zu waschen. Rahim hatte damit nichts zu tun.
    Nach dreißig Tagen kam Rahims Mutter uns endlich besuchen. Sie erschien mir als heitere und zu Scherzen aufgelegte Frau. Selbst wenn sie sich nicht im entferntesten mit meiner Chanum Djan oder gar den Tanten mütterlicherseits und väterlicherseits und der Frau des Onkels vergleichen ließ. Ihre Bewegungen waren flink. Sie bestand darauf, mir zu helfen. Ich sagte, »Chanum, ich habe wirklich nichts zu tun. Ich gehe nur auf einen Sprung etwas fürs Mittagessen einkaufen und kehre zurück.«
    Sie bestand darauf und nahm mir das Geld ab, um selbst einzukaufen. Ich atmete erleichtert auf. Mehr als vor jeder anderen Arbeit schämte ich mich vor dem Einkaufen. Reis und Fett hatte die Amme aus meinem

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