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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Elternhaus mitgebracht, doch meine ständige Sorge war der Einkauf von Fleisch und Grünzeug.
    Sie wickelte sich den Tchador um die Hüfte, wusch und bereitete alles vor und setzte es auf. Ich hatte dagegen nichts einzuwenden, zierte mich jedoch in einem fort. Das reichte für zwei bis drei Tage. Aber was dann? Dann mußte ich wieder mit dem Korb in der Hand auf die Gasse.
    Rahim kam, und wir aßen zu dritt zu Mittag. Meine Schwiegermutter war liebenswürdig zu mir. Ich war überaus höflich zu ihr. So, wie sich meine Mutter verhielt, so, wie man es mich gelehrt hatte. Nach dem Nachmittagstee zog sich meine Schwiegermutter den Tchador zum Gehen über. Ich wollte sie mit Rahim bis zur Haustür begleiten. Sie machte Umstände, und da ich beharrlich blieb, beschwor sie mich im Namen meines Vaters. »Nein, Mahbube Djan. Beim Leben deines Vaters, komm nicht mit. Es würde mich kränken.«
    Sie ging mit Rahim nur bis zur Mitte des Hofs, nicht weiter. Blieb dort stehen und tuschelte mit ihm, sehr ruhig und behutsam. Rahim war außer sich. Empört wedelte er mit der Hand. Er schritt auf und ab und deutete auf das Fenster des Zimmers, in dem ich mich befand. Einmal kam er sogar bis nah an die Treppe und kehrte wieder zurück. Zuletzt richtete meine Schwiegermutter ihren Zeigefinger zornig auf ihn. Als würde sie ihm drohen. Allmählich wurden ihre Stimmen lauter. Ich hörte Rahim nur sagen, »Sprich leiser, sie hört es.«
    Abermals begannen sie flüsternd zu streiten, und plötzlich drehte sich meine Schwiegermutter blitzartig um und eilte wütend zum Korridor und zur Haustür. Sie öffnete die Tür, trat hinaus und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Rahim blieb eine Weile wie festgenagelt in der Mitte des Hofs stehen und starrte auf die Haustür. Dann senkte er den Kopf und grübelte. Schließlich kam er langsam auf den Saal, unseren kleinen und armseligen Saal zu und stieg mit gesenktem Kopf die Stufen hoch.
    »Was ist los, Rahim?«
    »Nichts. Sollte denn etwas los sein?«
    »Nein. Aber es scheint, als hättest du mit deiner Mutter gestritten.«
    »Nein, wir haben uns verabschiedet.«
    Lachend sagte ich, »Nimmt man so Abschied?«
    »Laß mich in Ruhe, Mahbube. Laß zumindest du mich in Frieden.«
    Er sprach nicht zornig und aufbrausend, sondern als würde er mich beschwören. Er war außer sich. Konnte nicht stillsitzen. Ich schwieg. Ich wollte ihn nicht quälen. Gleich, welches Problem, er würde es entweder selbst lösen oder am Ende sein Herz bei mir ausschütten. Bis zum Abend war sein Verhalten gezwungen.
    »Ißt du zu Abend?«
    »Nein, ich habe keinen Appetit, Mahbub. Iß du allein.«
    Das Fenstersims war nur einen halben Meter vom Fußboden entfernt. Rahim ging und setzte sich auf die Kante. Die Ellbogen hatte er auf die Knie gestützt und den Kopf gesenkt. Was quälte ihn? Was hatte seine Mutter gesagt? Sicher betraf es mich. Immerhin hatte Rahim gesagt, ›Sie hört es.‹ Bestimmt hatte er mich gemeint. Sicher war ich diejenige, die es nicht hören durfte.
    Ich ging und setzte mich ihm zu Füßen, »Rahim Djan, wenn dunicht zu Abend ißt, esse ich auch nichts… Sag, was geschehen ist!«
    »Nichts Wichtiges, ich werde es selbst schon irgendwie richten.«
    »Nun, sag mal, hab ich etwas Böses angestellt?«
    Er hob den Kopf, lächelte mich wehmütig an und sagte, »Wäre es denn möglich, daß du etwas Böses anstellst?«
    »Was dann? Was ist geschehen? Warum sagst du nichts?«
    »Ich fürchte, es könnte dich betrüben. Ich werde mir schon selbst eine Lösung ausdenken.«
    Es war zum Verrücktwerden. Was sollte das heißen! Wofür mußte er sich eine Lösung ausdenken? Was war an diesem Problem so quälend, daß es mich ebenfalls bedrücken würde, wenn ich davon erführe? Ungeduldig fragte ich, »Rahim, du treibst mich noch in den Wahnsinn. Sag um Gottes willen, was geschehen ist? Ich werde mich bestimmt nicht aufregen. So quälst du mich mehr. Weshalb redest du nicht?«
    Er legte eine Pause ein und starrte auf seine Handflächen. Offenbar schämte er sich, es zu sagen. Schließlich sagte er stockend, »Ich habe etwas von jemandem geliehen. Das heißt, nicht ich, sondern meine Mutter hat es für mich geliehen. Nun fordert die Betreffende ihr Eigentum zurück.«
    Ich wurde etwas ruhiger, »Nun, das macht doch nichts. Du hast mich erschreckt. Gib ihr ihr Eigentum zurück. Was war es denn überhaupt?«
    Er starrte an die Zimmerdecke und hatte die Finger verschränkt. »Die Ohrringe, die ich dir zur Trauung

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