Der Morgen der Trunkenheit
mich. Da jedoch für mein Elternhaus täglich nicht weniger als zwei bis drei Kilo Fleisch gekauft wurden und Hadj Ali auf Anordnung meiner Mutter stets zwei bis drei Portionen zusätzlich zubereitete, schämte ich mich, weniger als diese Menge einzukaufen. Noch genierte ich mich, ein Ssier oder ein Tcharak zu verlangen. Ich wollte sagen, ›Was geht es dich an, ob ich Gäste habe? Weißt du es besser als meine Mutter? Bist du erfahrener als Hadj Ali?‹ Doch anscheinend hatte der Kerl nicht ganz unrecht. Wir waren ja nicht mehr als zwei!
Ich sagte, »Nun gut, ein Kilo.«
Er musterte mich verwundert vom Scheitel bis zur Sohle, reichte mir das Fleisch und sagte grollend zu sich, »Die weiß selbst nicht, was sie will.«
Abermals war ich erbost, und abermals beherrschte ich mich. Die anderen Frauen kamen und stritten sich wegen zweieinhalb Ssier Fleisch und einem Kilo Kräuter zwei Stunden lang mit Metzger und Gemüsehändler herum. Sie verlangten gutes Fleisch und Kräuter ohne Lehm, das frisch sein sollte. Mein Fleisch war stets sehnig und wurde nicht weich, und die Kräuter waren voller Lehm. Sobald Rahim das Fleisch zu Gesicht bekam, nahm er es zwangsläufig wieder mit, um es zurückzugeben und, wie ich es stets ausdrückte, gutes Fleisch zu besorgen. Doch langsam gewöhnte ich mich daran. Hin und wieder überfiel mich der Kummer über meinen Absturz aus dem bequemen Leben im Elternhaus. Nur gelegentlich. Wenn Rahim nicht da war. Wenn mich die Hausarbeit zu sehr belastete. Wenn ich sehr allein war.
Abermals kam der Monatserste und mit ihm die Amme. Sie brachte mir die dreißig Tuman und fragte, wie es mir ginge. Meine Eltern hatten keine Grüße aufgetragen. Sie fragte mich, ob ich zufrieden sei? Ob ich glücklich sei oder nicht? Selbstverständlich war ich es. Als sie sich hingesetzt hatte, fragte ich, »Liebe Amme, erzähl mir, wie es Chanum Djan geht? Geht es Agha Djan gut? Manuchehr, Chodjasteh, die Familie, geht es ihnen allen gut?«
»Ja, mein Kind, allen geht es gut. Gott sei Dank. Chodjasteh läßt grüßen.«
»Wie geht es Nozhat? Ihrem Ehemann, ihrem Sohn?«
Die Amme lachte, »Hoffentlich treffen Nozhat nicht die Verwünschungen. Wenn man bedenkt, wie sie ins Fettnäpfchen getreten ist!«
Aufgeregt fragte ich, »Was hat sie angestellt, liebe Amme, was denn?«
»Nichts, das Übliche. Sie hat eine ihrer üblichen groben Bemerkungen vom Stapel gelassen.«
»Wem gegenüber, liebe Amme? Erzähl mir. Was hat sie angestellt?«
Meine Amme sagte aufgekratzt, »Nichts. Sie war zu irgendeinem Fest eingeladen. Zufällig war die Tochter von Ata od-Doule auch dort, die, deren Bruder um deine Hand angehalten hat. Erinnerst du dich?«
»Ja, natürlich erinnere ich mich. Die junge Frau, die so auffallend häßlich war?«
»Ja…, die, die so übermäßig von sich eingenommen schien. Als die Unterhaltung in Schwung kam, sagte Ata od-Doules Tochterplötzlich ganz laut und öffentlich vom anderen Ende des Zimmers zu Nozhat, ›Nun, Nozhat Chanum, auf Ihr Wohl, ich habe gehört, daß Mahbube Chanum geheiratet hat. Meinen Glückwunsch.‹ Nozhat sagte, ›Ich hab sofort gemerkt, daß die mich verspotten und sticheln wollte. Ich hab gesagt, ›Das ist sehr nett von Ihnen‹, und begann mit der Dame an meiner Seite zu sprechen. Aber sie ließ nicht locker und sagte, ›Es scheint, als hätte sie sich verliebt.‹ Nozhat erwiderte dreist, ›Jawohl… und wie, Chanum. Sie hat sich über beide Ohren verliebt.‹ Daraufhin sagte die Tochter der Prinzessin, ›Als wir davon hörten, konnten wir es erst gar nicht glauben. Nicht, daß ich Sie kränken wollte, ... aber ist es nicht schade um Mahbube Chanum? Mit einem Schreiner? Wir haben uns ja sehr gewundert.‹ Nozhat sagte, ›Da ich mich schon darauf vorbereitet hatte, schwang ich spöttisch meinen Hintern…‹ Mashallah, der Hintern meiner Nozhat Djan ist ja auch eine Wucht…«
Die Amme lachte. Ich lachte ebenfalls und sagte, »O, liebe Amme, Gott lasse mich sterben. Wie redest du denn?«
Währenddessen zitterte ich am ganzen Leib vor Kummer und Wut, ließ es mir jedoch nicht anmerken. Meine liebe Amme sagte, »Lüge ich etwa? Sie ist doch wirklich nicht schlecht gebaut… Ja, so wie sie dasaß, schwang sie ihren Hintern und setzte sich mit dem Rücken zu ihr. Sie ließ es sich nicht nehmen und sagte vor allen, ›Ach, nein! Weshalb haben Sie es nicht geglaubt, Chanum? Sie hat doch nichts Sonderbares getan, sie hat einen jungen Mann geheiratet. Und wenn er
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