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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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und ich wußte, daß mit den Brüdern etwas nicht stimmte, daß an dem Wagen etwas faul war. Mir war nämlich aufgefallen, daß am hinteren Nummernschild eine Menge zerquetschter Insekten und Fliegen klebten. An den Wagenpapieren und dem Führerschein des Fahrers war jedoch nichts auszusetzen. Trotzdem hatte ich so ein komisches Gefühl und war mir meiner Sache ziemlich sicher. Und dann sah ich mir das Schild mit der Typennummer an, das mit punktgeschweißten Bolzen im Türrahmen befestigt war. Ich fuhr mit dem Fingernagel darunter, und im nächsten Augenblick versuchte einer von den dreien auch schon abzuhauen, was ich nur zu verhindern wußte, indem ich meine Fünfundvierziger zog und ihn anschrie: »Bleib sofort stehen, du Arschloch, oder mach schon mal dein Testament!«
    Darauf stellte ich fest, daß die Typennummer nicht angeschweißt, sondern nur geklebt war. Ich riß sie herunter, und später stellten die Detectives fest, daß der Wagen in Long Beach als gestohlen gemeldet war. Richterin Redford hatte mich damals für meine Arbeit ausdrücklich gelobt.
    Der Staatsanwalt rief seinen ersten Zeugen auf. Homer Downey mußte ihm bestätigen, daß das betreffende Hotelzimmer von Landry regulär gemietet worden war, damit dieser während des richtigen Prozesses nicht auf die Idee kommen konnte zu behaupten, er wäre nur bei einem Freund zu Besuch gewesen und wüßte nicht, wie die Pistole und das Gras dorthin gekommen wären. Bevor er jedoch mit der Befragung beginnen konnte, beantragte der Verteidiger: »Euer Ehren, ich würde darum bitten, alle Zeugen aus dem Saal zu entfernen, die im Moment keine Aussage zu machen haben.«
    Das hatte ich erwartet. Die Verteidiger sorgen immer dafür, daß die Zeugen nicht im Saal bleiben. Das ist eben so üblich. Manchmal erweist er sich sogar als recht nützlich, wenn sich die Zeugen auf eine bestimmte Geschichte einschießen, aber in der Regel ist es reine Zeitverschwendung.
    »Euer Ehren, ich habe nur zwei Zeugen.« Der Staatsanwalt stand auf. »Mr. Homer Downey und Officer Morgan, der den Angeklagten verhaftet hat. Ich möchte darum bitten, daß er im Gerichtssaal bleiben darf.«
    »Dem Antrag wird stattgegeben. Mr. Jeffries.« Die Richterin wandte sich dem Verteidiger zu. »Damit bleibt niemand mehr, der aus dem Saal entfernt werden müßte, oder nicht?«
    Jeffries, der Verteidiger, errötete, da er sich die Akten nicht genau genug angesehen hatte, um zu wissen, wie viele Zeugen vorgeladen waren, was dem Staatsanwalt und mir ein Lächeln entlockte.
    Als der Staatsanwalt schließlich Homer Downey von neuem aufrufen wollte, meldete sich der Verteidiger wieder zu Wort. »Euer Ehren, ich stelle den Antrag, daß Officer Morgan, der in diesem Fall auch als der die Ermittlungen leitende Beamte auftritt, erst vereidigt wird, selbst wenn das nicht üblich ist, und daß der andere Zeuge währenddessen den Saal verläßt.«
    Darüber konnte sich der Staatsanwalt, der immerhin eine um zwei Monate längere Prozeßerfahrung hatte, ein deutlich vernehmbares Kichern nicht verkneifen. »Keinerlei Einwände, Euer Ehren.«
    »Bringen wir es also hinter uns«, sagte die Richterin, die langsam ungeduldig wurde. Ich dachte schon, die Klimaanlage funktionierte nicht richtig, da es plötzlich etwas schwül im Raum wurde.
    Dann fragte sie: »Würde der Staatsanwalt seinen anderen Zeugen bitten, sich aus dem Saal zu entfernen?«
    Nachdem man Downey aufgefordert hatte, draußen auf dem Gang zu warten, und er den Saal verlassen hatte, rief mich der Staatsanwalt in den Zeugenstand, wo mir die Gerichtsschreiberin, eine sympathische Frau im Alter der Richterin, vorsprach: »Schwören Sie, in dem eben abgewickelten Fall dem Gericht die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, so wahr Ihnen Gott helfe?«
    Ich sah sie mit meiner professionellen Zeugenmiene an und sagte: »Ja, ich schwöre.«
    Das ist zum Beispiel etwas, das ich nie ganz begreifen konnte. In Fällen, in denen ich nicht korrigierend eingreifen mußte, sagte ich immer nur: »Ich schwöre.« Dagegen legte ich in Fällen, in denen ich etwas hinzudichtete, etwas mehr Emphase in meine Aussage und fügte ein ›Ja‹ hinzu. »Ja, ich schwöre.« Irgendwie konnte ich das nie so richtig erklären. Nicht daß ich mich schuldig gefühlt hätte, wenn ich ein bißchen was dazufabulierte. Wenn ich das nämlich nicht getan hätte, müßten viele unschuldige Menschen darunter leiden, da auf diese Weise sicher nicht so viele Ganoven

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