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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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alles unwidersprochen hin, und mein Heiligenschein nahm allmählich solche Ausmaße an, daß ich mit meiner kahlen Stelle am Hinterkopf wie ein blau uniformierter Mönch ausgesehen haben muß. Der Verteidiger machte nicht ein einziges Mal den Mund auf, bis ihm die Richterin schließlich zunickte. »Jetzt sind Sie dran mit dem Kreuzverhör.«
    »Ich hätte da nur noch ein paar Fragen, Officer Morgan«, begann er lächelnd. Er sah aus wie fünfundzwanzig, und sein Lächeln war stinkfreundlich. »Können Sie sich noch an den Namen im Gästebuch des Hotels erinnern?«
    »Einspruch, Euer Ehren«, meldete sich der Staatsanwalt zu Wort. »Was für einen Namen? Was soll das?«
    Die Richterin gab dem Einspruch nicht statt, worauf der Verteidiger fortfuhr: »Ich kann die Frage ja auch anders stellen, Euer Ehren. Officer Morgan, als Sie diesen Mann die Treppe hinauf verfolgten und dann wieder in die Wohnung des Geschäftsführers herunterkamen, haben Sie sich dann den Namen im Gästebuch zeigen lassen? Oder haben Sie Mr. Downey gefragt, wer in diesem Zimmer gewohnt hat?«
    »Ich habe mir das Gästebuch zeigen lassen.«
    »Haben Sie dort den Namen gelesen?«
    »Jawohl.«
    »Wie lautete dieser Name?«
    »Wie ich bereits bezeugt habe, war es der Name des Angeklagten, Timothy G. Landry.«
    »Haben Sie Mr. Downey dann nach dem Namen des Mannes in Zimmer drei-neunzehn gefragt?«
    »Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich das getan habe. Wahrscheinlich nicht, da ich den Namen ja selbst im Gästebuch gesehen habe.«
    »Weswegen war der Haftbefehl ausgestellt, Officer Morgan? Wegen welchen Vergehens?«
    »Wegen einer Verkehrsübertretung, Paragraph einundzwanzig vier-dreiundfünfzig-A. Der Angeklagte ist außerdem nicht zur Verhandlung erschienen.«
    »Stand seine Adresse auf dem Haftbefehl?«
    »Jawohl.«
    »Haben Sie in Ihrem Bericht die Haftbefehlsnummer, die ausstellende Behörde, die Kautionssumme und so weiter vermerkt?«
    »Jawohl. Das steht alles in meinem Bericht.« Ich beugte mich leicht – nur andeutungsweise – vor. Ich finde, wenn man sich vorbeugt, macht man immer einen äußerst aufrichtigen Eindruck.
    In Wirklichkeit hatte ich erst zwei Stunden nach Landrys Verhaftung in Erfahrung gebracht, daß dieser Haftbefehl existierte. Ich war gerade dabei gewesen, mir eine plausible Erklärung für die ganze Aktion zusammenzureimen, und in diesem Zusammenhang kam mir der Haftbefehl natürlich gerade recht.
    »Sie haben also Mr. Landrys Personalien überprüfen lassen und dabei festgestellt, daß wegen einer Verkehrsübertretung ein Haftbefehl auf ihn ausgestellt war?«
    »Jawohl.«
    »Haben Sie dabei Mr. Downeys Telefon benutzt?«
    »Nein, den Münzapparat in der Eingangshalle.«
    »Wieso haben Sie nicht von Mr. Downeys Telefon aus angerufen? Sie hätten sich doch das Geld sparen können.« Der Verteidiger lächelte gewinnend.
    »Wenn man sich übers Amt mit der Wache verbinden läßt, bekommt man sein Telefongeld wieder zurück. Außerdem wollte ich Mr. Downey nicht mehr weiter behelligen. Deshalb bin ich in die Halle gelaufen und habe dort den Münzfernsprecher benutzt.«
    »Ich verstehe. Und dann sind Sie mit dem Zweitschlüssel, den Sie von Mr. Downey erhalten haben, wieder nach oben gegangen?«
    »Jawohl.«
    »Sie haben an die Tür geklopft und sich zu erkennen gegeben. Außerdem haben Sie sich davon überzeugt, daß der Mann in Zimmer drei-neunzehn Timothy Landry war, auf den, wie Sie nun wußten, ein Haftbefehl ausgestellt war?«
    »Jawohl. Es meldete sich die Stimme eines Mannes, der sich als Timothy Landry bezeichnete. Beziehungsweise sagte der Mann ›ja‹, als ich ihn fragte, ob er Timothy Landry sei.« Während ich dies sagte, wandte ich mich mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfnicken der Richterin zu. Landry verdrehte verzweifelt die Augen und sackte in seinem Stuhl zusammen.
    »Als Sie hörten, wie das Fenster geöffnet wurde, und Sie befürchten mußten, der Mann, auf den ein Haftbefehl ausgestellt war, könnte zu entkommen versuchen, verschafften Sie sich gewaltsam Zutritt zu seinem Zimmer?«
    »Ich habe den Zweitschlüssel benutzt.«
    »Ja, und Sie sahen Mr. Landry auf dem Bettrand sitzen, als wollte er eben durchs Fenster schlüpfen?«
    »Jawohl, genauso war es.«
    »Und Sie sahen unter der Matratze einen Metallgegenstand hervorragen?«
    »Ich sah einen bläulich schimmernden, metallischen Gegenstand, den ich unmißverständlich für den Lauf einer Pistole hielt«, korrigierte ich ihn vorsichtig.
    »Und dann

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