Der müde Bulle
in den Knast gewandert wären, wie sie das durch mein Zutun taten. Von den Zeugen der Verteidigung wird ja auch nichts anderes erwartet, als daß sie es mit ihrer Aussage nicht allzugenau nehmen, und weshalb hätte ausgerechnet ich das tun sollen?
»Nennen Sie bitte Ihren Namen«, forderte mich die Gerichtsschreiberin auf.
»William A. Morgan, M-O-R-G-A-N.«
»Welchen Beruf üben Sie aus?« fragte der Staatsanwalt.
»Ich bin Polizei-Officer der Stadt Los Angeles und gehöre der Zentralabteilung an.«
»Waren Sie am 31. Januar dieses Jahres in dieser Funktion tätig?«
»Jawohl.«
»Hatten Sie an jenem Tag Grund, sich zu besagter Adresse in der East Sixth Street, Nummer achthundertsiebenundzwanzig zu begeben?«
»Jawohl.«
»Um welche Tages- oder Nachtzeit war dies ungefähr?«
»Etwa um dreizehn Uhr fünfzehn.«
»Könnten Sie uns bitte erklären, weshalb Sie diesen Ort aufgesucht haben?«
»In der Eingangshalle des Hotel Orchid treiben sich oft Betrunkene herum, die das Mobiliar beschädigen, und deshalb wollte ich dort wieder einmal nach dem Rechten sehen.«
»Ich verstehe. Ist diese Eingangshalle der Öffentlichkeit zugänglich?«
»Jawohl.«
»Hatten Sie dort schon früher einmal Betrunkene verhaftet?«
»Ja, mehrmals, obwohl ich diese Männer meistens nur wegschicke. Es geht mir in der Hauptsache nur darum, dafür zu sorgen, daß die Einrichtung des Hotels nicht beschädigt wird.«
Der Staatsanwalt nickte. »Ich verstehe.« Meine blauen Augen wurden immer größer und runder, und ich konnte mir vorstellen, daß über meinem Haupt schon ein regelrechter Heiligenschein schwebte. Ich legte größten Wert auf mein Auftreten vor Gericht, und in jungen Jahren hatte ich meine Auftritte sogar vor dem Spiegel geprobt. Man hatte mir oft versichert, die Geschworenen hätten den Staatsanwälten gegenüber erklärt, sie hätten einen Angeklagten nur deshalb für schuldig befunden, da Officer Morgan einen so ehrlichen und aufrichtigen Eindruck erweckt hätte.
Als nächstes erklärte ich, wie ich den Mann die Treppe hinauf verfolgt und in Zimmer drei-neunzehn hatte laufen sehen und wie ich dadurch argwöhnisch geworden war. Dann erzählte ich, wie mir Homer Downey das Gästebuch gezeigt und ich Timothy Landrys Namen darin gelesen hatte. Als ich darauf seine Personalien überprüfen ließ, erfuhr ich, daß wegen einer Verkehrsübertretung ein Haftbefehl auf ihn ausgestellt war. Und ich war natürlich der festen Überzeugung, daß Landry der Mann sein mußte, der sich in drei-neunzehn versteckt hatte. Wegen Homers Aussage machte ich mir weiter keine Gedanken, da ich mir tatsächlich von ihm den Zweitschlüssel geben und das Gästebuch hatte zeigen lassen. Und da Homer ja nun den Rest meiner Geschichte kannte, würde er sich danach richten.
Als ich schließlich zu der Stelle kam, wo ich an die Tür klopfte und Landry mir auf meine Frage hin bestätigte, Landry zu sein, befürchtete ich schon, er würde wie von der Tarantel gestochen von seinem Angeklagtenstuhl hochfahren. Dies war nämlich der erste Punkt, an dem für ihn außer Zweifel stehen mußte, daß ich die ganze Geschichte etwas zurechtfrisierte. Die Sache mit dem Fenster hätte ja noch stimmen können, aber als ich dann sagte, die Pistole hätte unter der Matratze hervorgeragt, schnaubte er vor Entrüstung so laut auf, daß ihn der Verteidiger zwischen die Rippen stieß und die Richterin ihm einen mißbilligenden Blick zuwarf.
Um nun die Durchsuchung des Zimmers von meiner Seite zu rechtfertigen, erzählte ich, eine grüne, pflanzliche Substanz, die wie Marihuana aussah, hätte deutlich sichtbar auf der Kommode gelegen. Dazu konnte Landry natürlich nur seine Augen zum Himmel wenden und verächtlich mit der Zunge schnalzen, da ich das Gras nämlich in einem Schuhkarton im Kleiderschrank gefunden hatte. Der Verteidiger fragte mich nicht einmal, woher ich gewußt hätte, daß es sich bei dieser pflanzlichen Substanz um Marihuana gehandelt hätte. Offensichtlich vermutete er, übrigens völlig zurecht, daß ich schon einige tausend Kerle wegen Drogenbesitzes festgenommen hatte.
Der Verteidiger war in der Tat so liebenswürdig zu mir, daß ich eigentlich auf der Hut hätte sein sollen. Der Staatsanwalt brachte die Knarre und das Gras ins Spiel, worauf sich der Verteidiger die chemische Analyse des Marihuana vorlegen ließ. Der Staatsanwalt führte die Pistole als Beweisstück Nummer eins und das Gras als Beweisstück Nummer zwei auf. Der Verteidiger nahm
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