Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
doch an der Schulter. Ich schrie vor Schmerz auf. Später stellte sich heraus, daß ich eine faustgroße Schramme hatte. Als er das vierte- oder fünftemal mit dem Riesending ausholte, traf er den Vermittler direkt über den Augen, worauf dieser sofort zu Boden ging und die Hände brüllend vor sein blutendes Gesicht schlug. Er japste, als hätte ihm jemand voll in die Eier getreten.
    In diesem Augenblick verließ den dritten endgültig der Mut, und er hob einlenkend die Hände. »Ist ja schon gut – laßt mal gut sein – ist ja schon gut!«
    Ich zitterte am ganzen Körper, und mir war so übel, daß ich mich fast übergeben mußte. Ich hätte alle drei umbringen können, wenn der Empfangschef und der Vermittler nicht sowieso schon einen halbtoten Eindruck gemacht hätten. Nur der Schmieresteher hatte noch nichts abgekriegt.
    »Steh auf!« schrie ich ihn an, und als er meiner Aufforderung nachkam, steckte ich meine Pistole weg und zog ihm mit meinem Knüppel eins übers linke Schlüsselbein. Darauf fing er an, zu japsen und zu jammern, und er hörte nicht auf, bevor wir ihn ins Krankenhaus gebracht hatten, was mich nur noch mehr anwiderte. Bis dahin hatte ich zumindest noch ein gewisses Maß an Respekt für ihn aufbringen können, da er sich seinen Freunden gegenüber loyal verhalten und immerhin einen Polizisten mit einer Knarre in der Hand angefallen hatte. Aber als er seinen Schmerz nicht schweigend erdulden konnte, verlor ich alle Achtung vor ihm. Ich vermutete, daß dieser Heuler eine Beschwerde wegen meines brutalen Vorgehens einreichen würde. Aber wie sich später herausstellen sollte, täuschte ich mich.
    »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Herr Wachtmeister?« fragte der Freier, nachdem ich die drei Ganoven halbwegs auf den Beinen hatte. Ich hatte Mühe, mich auf den meinen zu halten, während ich an der Rezeption lehnte und meine Waffe auf sie richtete. Diesmal war ich auf der Hut.
    »Gehen Sie runter und rufen Sie die Polizei an«, keuchte ich. Mir war immer noch nicht ganz klar, ob der Bursche eigentlich nüchtern war, obwohl er um ein Haar alle vier von uns enthauptet hätte. »Sagen Sie, ein Beamter im Marlowe Hotel in der Fifth, Ecke Main, braucht Verstärkung.«
    Der Freier nickte. »Marlowe Hotel. Jawohl, Herr Wachtmeister.«
    Ich bekam nie heraus, was er am Telefon eigentlich erzählt hatte. Jedenfalls muß seine Geschichte sehr eindrucksvoll gewesen sein, da innerhalb von drei Minuten mehrere Autos vorfuhren. In einem saßen sogar ein paar Detectives. Plötzlich gab es mehr Polizisten als Gäste im Marlowe Hotel, und auf der Straße vor dem Eingang flammten die Rotlichter der Streifenwagen auf, so daß man es bis hinauf zur Sixth Street sehen konnte.
    Schließlich stellte sich heraus, daß der Freier Yassers ältester Sohn Abd war, nach dem der Harem benannt worden war. Und auf diese Weise lernte ich die ganze Mannschaft kennen. Abd blieb in dieser Nacht noch ein paar Stunden mit mir zusammen. Ich schrieb meine Berichte, und er entpuppte sich als ein ganz anständiger Kerl, als er nach einem knappen Dutzend Tassen Kaffee allmählich wieder nüchtern wurde.
    Als der Fall schließlich vor Gericht kam, konnte er sich an die ganze Angelegenheit nur noch sehr undeutlich erinnern, so daß er am Ende genau das bezeugte, was ich ihm über die Vorfälle an jenem Abend erzählt hatte. Zum Beispiel wußte er nicht mehr, wie er mich herausgehauen hatte, und als ich ihn dann an jenem Abend zum Dank für seine Hilfe heimfuhr, lud er mich in sein Haus ein, weckte seinen Vater, seinen Onkel und drei seiner Brüder auf, stellte mich ihnen vor und erzählte ihnen, wie ich ihn davor bewahrt hatte, von drei Ganoven ausgenommen und umgebracht zu werden. Natürlich sagte er ihnen nie die ganze Wahrheit – nämlich, wie sein Abenteuer in diesem Puff begonnen hatte. Ich sah mich nicht bemüßigt, in diesem Punkt seinem Gedächtnis nachzuhelfen, zumal er tatsächlich glaubte, ich hätte ihn herausgehauen, statt umgekehrt. Und da es ihm offensichtlich Spaß machte, sich einzubilden, von mir gerettet worden zu sein, ließ ich ihn die ganze Geschichte so erzählen, wie sie sich seiner Meinung nach ereignet hatte.
    Zu diesem Zeitpunkt waren Yasser und seine Sippschaft gerade von New York, wo sie ein kleines Restaurant betrieben hatten, nach Los Angeles gekommen. Sie hatten ihr letztes Geld zusammengekratzt, um dieses Lokal in Hollywood zu kaufen. Die Umbauten waren abgeschlossen, und es sollte demnächst

Weitere Kostenlose Bücher