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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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begann sich eine Luftblase zu bilden, so daß ich zwei Tabletten nahm.
    »Fuzzy hat vor etwa einer halben Stunde im Krankenhaus angerufen. Er hat allerdings nicht viel herausgekriegt. Aber eines kann ich dir sagen – Scalotta wird sich nach einem neuen Buchhalter und Berater umsehen müssen. Falls Fishman je wieder das Krankenhaus verlassen sollte, wird er zumindest nicht mehr in der Lage sein, auch nur zweistellige Zahlen zusammenzuzählen.«
    »Na ja, dann hat sich ja vielleicht doch noch alles zum Guten gewendet.«
    »Das kann man wohl sagen. Zum erstenmal seit Jahren habe ich wieder einmal annähernd das Gefühl, daß es doch noch so etwas wie Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt. Obwohl sie dich hinten und vorn austricksen, dir dabei noch ins Gesicht lachen und dir sogar das Recht unter dem Hintern verdrehen, ist mir seit langem wieder einmal der Gedanke gekommen, daß da auch noch andere Hände im Spiel sind, die für ein bißchen Gerechtigkeit sorgen. Vielleicht war es die Hand Gottes persönlich, die diesen Fishman die Feuerleiter hinuntergestoßen hat.«
    »Die Hand Gottes? Na ja, Charlie, bis dann also – und halt die Ohren steif, alter Socken!«
    »Bis dann, Bumper.« Charlie Bronskis kantiges Gesicht verzog sich zu einem so breiten Lächeln, daß sein herausgebrochener Eckzahn zum Vorschein kam.
    Als ich auf der Station ankam, war niemand mehr im Umkleideraum. Ich ließ mich auf der Bank nieder, begann meine Stiefel aufzuschnüren, und da spürte ich plötzlich, wie mitgenommen ich war. Nicht die Schnittwunden waren es, die mir zu schaffen machten. Aber meine Schulter und die Arme schmerzten wie verrückt von meinem Sturz in den Hinterhof und von der Turnerei an der verdammten Feuerleiter. Jung hätte man eben noch sein sollen, um seinen Arsch problemlos zwei Meter hochhieven zu können. Meine Handflächen waren wund und von Blasen überzogen, weil ich mich so fest an den Leitersprossen festgekrallt hatte. Und selbst meine beiden Arschbacken schmerzten tief im Innern von der anstrengenden Klettertour.
    Eigentlich gab es keine Stelle an meinem Körper, die nicht weh getan hätte.
    In einer Viertelstunde hatte ich mir Jacke und Hose angezogen, mein Haar, so gut es ging, zurückgekämmt, und nun lenkte ich meinen Ford vom Parkplatz des Reviers. Im Moment peinigte mich keine Luftblase im Magen, und auch sonst machte mir meine Verdauung nicht zu schaffen. Und dann mußte ich noch einmal an Aaron Fishman denken, wie er zusammengekrümmt, den zerbeulten Kopf unter seinem schmächtigen kleinen Körper eingeklemmt, wimmernd unter dem Inhalt des Pappkartons auf dem Treppenabsatz gelegen hatte. Aber schon im nächsten Augenblick schob ich dem Fluß meiner Gedanken den Riegel vor. Nein, sagte ich mir, damit werde ich mich nicht lange quälen, davon werde ich mir nicht meinen Nachtschlaf rauben lassen. Es steht nämlich nicht im geringsten zur Debatte, daß ich es war, der dich losgelassen hat. Ich war nichts weiter als das Werkzeug irgendeiner höheren Kraft, die, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, über jeden Menschen auf dieser Welt hereinbricht – ganz gleich, ob gut oder böse, ob arm oder reich. Und sie greift immer dann ein, wenn der betreffende Mensch am wenigsten damit rechnet.

 

    14.
    Es war inzwischen dunkel geworden, und alles – die Frühlingsnacht, die kühle Brise und selbst der Smog – fühlte sich herrlich an. Ich kurbelte das Fenster herunter, um die Luft einzusaugen. In Gedanken schon bei einem gemütlichen Abend in Abds Harem mit ein paar Arabern, ordnete ich mich in den Hollywood Freeway ein.
    Für einen Donnerstagabend war in Hollywood ganz schön was los. Auf dem Sunset und dem Hollywood Boulevard herrschte extrem dichter Verkehr, und vor allem trieben sich dort junge Leute herum. Sie hatten inzwischen buchstäblich von Hollywood Besitz ergriffen. Vom alten Glanz der vierziger und frühen fünfziger Jahre ist nur noch wenig geblieben. Hollywood ist fest in der Hand der jungen Generation, und daher kommt es natürlich auch, daß sich dort eine Menge Dealer und der Dunstkreis der Leute herumtreiben, die ihre Geschäfte mit Sex machen. Aus diesem Grund wirkt zum Beispiel gerade der Strip trist und desolat. Man findet dort in der Hauptsache Oben-ohne-Bars und ausgeflippte Discos, aber es gibt trotzdem noch ein paar gemütliche Kneipen und Restaurants, in denen man hervorragend ißt.
    Yasser Hafiz und die anderen hatte ich vor etwa zehn bis zwölf Jahren kennengelernt, als ich noch

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