Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
kühles Blondes für Freddie«, bestellte ich und fürchtete plötzlich, Harry könnte ihn gar nicht erkennen. Aber das war doch lächerlich, dachte ich. Harrys Abstieg nahm doch erst seinen Anfang. Wenn genügend Gäste in der Bar waren, damit es sich für Harry auch rentierte, schmiß ich öfter mal eine Runde, um seinem Umsatz ein bißchen auf die Sprünge zu helfen. Das Problem war nur, daß sich selten mehr als drei oder vier Gäste einfanden. Vermutlich laufen sie einem alle davon, wenn man zu sterben anfängt.
    »Wie geht's denn immer so, Bumper?« erkundigte sich Freddie. Seine Finger, die wie knorrige Äste aussahen, umklammerten zitternd das Bierglas.
    »Ich kann nicht klagen, Freddie. Recht ordentlich.«
    Er lachte schnaubend. Dann nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Glas, und ich beobachtete ihn dabei. Mein Magen brannte höllisch. Das hatte ich Harry zu verdanken. Mit einemmal kam mir auch Freddie reichlich antiquiert vor. Mein Gott, er war ja auch schon mindestens fünfundsechzig. Ich hatte in Freddie eigentlich nie einen älteren Mann gesehen, aber plötzlich war er das für mich. Verhutzelte alte Männer waren die beiden, und ich hatte im Augenblick absolut nichts mit ihnen gemeinsam.
    »Wie steht's denn so mit den Mädchen, Bumper?« Harry zwinkerte mir zu. »Bist du in letzter Zeit schwer beschäftigt?« Er wußte nichts von Cassie, und deshalb konnte er auch nicht ahnen, daß ich richtig solide geworden war, seit ich sie kannte.
    »In dieser Hinsicht trete ich in letzter Zeit etwas leiser, Harry«, gab ich deshalb zur Antwort.
    »Nur nicht locker lassen, Bumper!« Harry neigte seinen Kopf zur Seite und nickte wie ein Vogel. »Die Gabe der Hurerei verliert man nur, wenn man das Training vernachlässigt. Wenn die Augenmuskeln abschlaffen, kriegst du eine Brille wie Freddie. Aber wenn der Liebesmuskel erschlafft, was ist dann?«
    »Vielleicht wird er eben auch alt, Harry«, warf Freddie ein. Er warf sein leeres Glas um, während er versuchte, es Harry mit seinen gichtigen Händen zu reichen.
    »Alt? Du machst wohl Witze!« rief ich entrüstet.
    »Wie ist das denn mit dir, Freddie?« wollte Harry wissen. »Hast du am Schwanz auch schon Arthritis? Wann hast du denn das letztemal einen nackten Weiberarsch gesehen?«
    »Ungefähr zur gleichen Zeit wie du«, knurrte Freddie sichtlich gekränkt.
    »Mann, ich kann dir sagen, bevor Flossie krank geworden ist, habe ich noch jede Nacht eine Nummer geschoben. Bis sie krank geworden ist! Und ich war damals immerhin achtundsechzig.«
    »Pah!« platzte Freddie heraus und schüttete etwas Bier über seine knotigen Finger. »Wenn du während der letzten zwanzig Jahre irgendwas fertiggebracht hast, dann hast du vielleicht ein bißchen rumgeschleckt, aber sonst gar nichts.«
    »So?« Harry nickte mehrmals hintereinander, ganz schnell, wie ein verhungernder Vogel vor dem Futternapf. »Weißt du, was ich hier mal mit Irma angestellt habe? Soll ich dir sagen, was ich mit Irma angestellt habe?«
    »Was?«
    »Ich habe sie auf dem Tisch dort drüben gerammelt, und zwar ganz ordentlich. Was sagst du jetzt, du Klugscheißer?«
    »Ha, ha, ha«, wieherte Freddie, der bereits leicht angetrunken gewesen war, als er sich zu uns gesellt hatte.
    »Du kannst doch überhaupt nichts mehr, außer vielleicht in irgendwelchen Pornos zu blättern!« schrie Harry erbost. »Ich brauche mir keine Pornos zu kaufen, ich mache es noch! Ich habe die gute Irma gleich hier auf den Tisch gelegt und ihr 'ne halbe Stunde lang tüchtig eingeheizt!«
    »Ha, ha, ha!« konterte Freddie. »So lange hast du höchstens gebraucht, um deinen verschrumpelten alten Pimmel zu finden. Ha, ha, ha!«
    »Was soll dieser Blödsinn eigentlich?« versuchte ich die beiden zu bremsen. Mir wurde richtig übel von diesem Quatsch. »Könntest du mir vielleicht ein paar Aspirin geben, Harry?« Mit einem verächtlichen Blick auf den grinsenden Freddie brachte mir Harry eine Packung Aspirin und ein Glas Wasser.
    Ich nahm mir drei Tabletten und schob das Wasser beiseite, um die Aspirin mit einem Schluck Bier hinunterzuspülen. »Noch ein Bier, bitte«, bestellte ich, »und dann muß ich verschwinden.«
    »Wohin gehst du denn, Bump? Auf Brautschau?« Harry zwinkerte Freddie zu, als hätte er bereits wieder vergessen, daß er eigentlich stocksauer auf ihn war.
    »Ich bin bei einem Freund zum Abendessen eingeladen.«
    »Na, und was wird's denn da als Nachspeise geben, hm?« frotzelte Harry weiter.
    »Nicht, was du denkst,

Weitere Kostenlose Bücher