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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Schalen auf dem Tresen. Harry's war eine der wenigen Bars, wo man noch etwas umsonst bekam wie in diesem Fall Brezeln.
    »Na, wie gehen die Geschäfte, Bumper?«
    »Ich kann mich eigentlich nie beklagen, Harry.« Das war die typische Antwort, die von einem Polizisten erwartet wurde.
    »Ist in letzter Zeit in deinem Revier irgend etwas Aufregendes passiert?« Harry war etwa siebzig – ein häßlicher, kleiner Gnom mit knochigen Schultern, der wie ein Spatz hinter dem Tresen auf und ab hüpfte.
    »Laß mich mal kurz nachdenken.« Ich überlegte, was ich ihm erzählen könnte. Da Harry einmal eine Bar in der City gehabt hatte, kannte er eine Menge Leute, die auch ich kannte. »Ach ja, erinnerst du dich noch an Frog LaRue?«
    »Dieser kleine Giftler mit dem vornübergebeugten Gang?«
    »Genau der.«
    Harry seufzte. »Diesen Burschen muß ich wohl mindestens eine Million Mal rausgeschmissen haben, nachdem du mir erzählt hast, daß er dealt. Ich habe allerdings nie so recht begreifen können, warum er sich ausgerechnet meine Bar ausgesucht hat, um seine Geschäftchen abzuwickeln.«
    »Sie haben ihn abgeknallt«, sagte ich.
    »Wie das? Hat er versucht, jemandem Puderzucker anzudrehen?«
    »Nein, ein Mann vom Rauschgiftdezernat hat ihn kaltgemacht.«
    »Tatsächlich? Wie kann man denn einen Kerl wie Frog umlegen? Der tat doch niemandem etwas zuleide – außer sich selbst.«
    »Jeder kann jemandem etwas zuleide tun, Harry. Aber in diesem Fall war es ein Mißverständnis. Frog hatte immer in seinem Hotelzimmer ein Klappmesser auf dem Fensterbrett liegen – ganz gleich, wo er war. Und so kalt konnte es gar nicht sein, daß er das Fenster nicht aufließ. Auf diese Weise hat er sich eben abgesichert. Wenn jemand an seine Tür klopfte, den er für einen Polizisten hielt, schlitzte Frog das Fliegengitter auf und warf seinen Stoff mitsamt Spritze aus dem Fenster. Eines Abends bekamen die Leute vom Rauschgiftdezernat einen Tip und statteten Frog wieder mal einen Besuch ab, worauf der gute alte Frog einen Löffel voll H aus dem Fenster leerte. Dazu mußte er jedoch erst das Fliegengitter aufschlitzen, und als der Mann vom Dezernat zur Tür hereinstürmte, trug ihn sein Schwung praktisch noch durch den ganzen Raum und auf Frogs Bett, wo Frog saß, das Messer noch in der Hand. Der Mann, der als zweiter ins Zimmer stürzte, hatte seine Waffe gezogen, und damit war's um Frog auch schon geschehen. Zwei Kugeln, mitten ins Schwarze.« Ich legte meine Faust etwas rechts von meinem Herz auf die Brust, um die Stelle anzuzeigen, wo Frog getroffen worden war.
    »Hoffentlich mußte der arme Teufel nicht lange leiden.«
    »Zwei Tage hat er noch gelebt. Er hat den Beamten von seinem Trick mit dem Messer erzählt und daß er nie die Absicht gehabt hätte, jemanden damit anzugreifen.«
    »Der arme Teufel«, meinte Harry.
    »Zumindest ist er so gestorben, wie er gelebt hat. Mit einem Arm voll Stoff. Einer der Detectives hat mir erzählt, daß sie ihm schließlich eine ordentliche Dosis Morphium verpaßt haben. Wie er so mit seinen zwei Löchern in der Brust da gelegen hat, muß der alte Frog am Ende noch einen richtig zufriedenen Eindruck gemacht haben.«
    »Warum werden diese armen Teufel eigentlich nicht vom Staat mit Heroin versorgt?« fragte Harry angewidert.
    »Denen geht's doch darum, high zu werden. Es genügt Ihnen nicht, daß sie sich einigermaßen gesund fühlen. Und im Lauf der Zeit brauchen sie dann immer mehr, damit sie noch eine Wirkung spüren. Am Ende würde so ein Kerl dann eine Dosis brauchen, die aus King Kong ein zahmes, kleines Kätzchen machen könnte. Und was anderes als Heroin kann man den echten Junkies nicht geben. Die wollen schon den richtigen Stoff. Und dann würde es auch nicht lange dauern, bis sie sich Dosen spritzen, die sie umbringen.«
    »Na ja, aber das wäre doch trotzdem noch besser als der Tod, den Frog erlitten hat. Ich kann mir vorstellen, daß sich keiner von denen darüber beklagen würde.«
    »Da hast du allerdings recht. Finde ich auch.«
    »Allmählich könnte dieses Luder wirklich kommen«, murmelte Harry mit einem Blick auf die Wanduhr.
    »Was für ein Luder?«
    »Ach, Irma, diese dämliche Bedienung, die ich letzte Woche eingestellt habe. Hast du sie noch gar nicht gesehen?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich und trank von meinem Bier, das so kalt war, daß mir die Zähne weh taten.
    »Ein ganz schön heißes Schnuckelchen«, schwärmte Harry. »Aber man sollte sich besser gar nicht erst auf so

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