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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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gehen wollen. Das ist schon ein verdammt eigenartiger Job. Er ist so – intensiv. Ich kenne ein paar, die würden nicht mal für eine Million Dollar gehen.«
    »Und wie ist das mit Ihnen?«
    »Ach, ich kratze die Kurve schon. Ich bin ja praktisch schon pensioniert. Aber dieser Job hat es wirklich in sich. Wenn man sieht, wie hilflos und verletzlich die Leute sind … Und dann ist es natürlich großartig, einen richtig schweren Jungen hopsgehen zu lassen, wenn man einen Riecher für so was hat.«
    Er sah mich kurz an und sagte dann: »Rogers und ich haben letzten Monat einen Kerl einkassiert, dem sie fünf bewaffnete Raubüberfälle angehängt haben. Er hatte eine Sieben-Komma-Fünfundsechziger im Gürtel stecken, als wir ihn wegen einer Verkehrsübertretung angehalten haben. Wir haben Lunte gerochen, weil er plötzlich zu schwitzen anfing und recht nervös wurde, als wir mit ihm geredet haben. Das ist schon ein Ding, so einen dicken Fisch zu erwischen – vor allem, wenn man nicht weiß, wie dumm die ganze Sache hätte ausgehen können. Ich meine, dieser Kerl saß nur einfach da und sah zwischen Rogers und mir hin und her, und dabei hat er nur überlegt, ob er uns abknallen sollte. Das haben wir allerdings erst später gemerkt. Aber das Ganze ist dadurch noch spannender geworden.«
    »Klar, das gehört dazu. Man fühlt sich irgendwie lebendiger. Mann, Sie reden ja, als wären Sie bumperisiert worden. Dabei hatten wir doch nie was miteinander zu tun.«
    »Doch, eine Nacht haben wir zusammengearbeitet. Können Sie sich noch erinnern? Das war meine erste Nacht nach der Polizeiakademie. Und Sie können mir glauben, daß ich vor Ihnen mehr Angst hatte als vor sämtlichen Ganoven, die sich damals rumgetrieben haben.«
    »Stimmt, wir waren mal zusammen – jetzt kann ich mich wieder erinnern«, log ich.
    Zu meiner Enttäuschung beendete Wilson unsere Unterhaltung. »Ich muß jetzt in die Schule. Bis nächste Woche muß ich zwei Arbeiten fertig kriegen, und ich habe noch nicht mal damit angefangen.«
    »Na, dann halten Sie mal die Ohren steif, Wilson«, verabschiedete ich mich und machte mein Schließfach zu.
    Ich ging auf den Parkplatz hinaus und nahm mir vor, in meiner Stammkneipe in der Nähe des Silverlake ein paar hinter die Binde zu kippen, bevor ich zu Cruz fuhr. Der Inhaber war ein alter Kumpel von mir, der in meinem früheren Revier in der Innenstadt eine Bar betrieben hatte, bevor er diese hier gekauft hatte. Er gehört zwar nicht mehr zu meinem Revier, aber er spendierte mir trotzdem immer noch ein paar Drinks – vermutlich aus Gewohnheit. Die meisten Barbesitzer sind Polizisten gegenüber in der Regel nicht sonderlich spendabel, da viele Kollegen, wie ich weiß, diese Großzügigkeit ausnutzen. Und am Ende hat so ein armer Teufel so viele Uniformierte um sein Wasserloch, daß er früher oder später dichtmachen kann. Und deshalb gab Harry auch nur mir und ein paar Beamten, die er wirklich gut kannte, einen aus.
    Es war fünf Uhr, als ich meinen Ford, Baujahr 51, vor Harrys Bar parkte. Ich hatte den Wagen damals neu gekauft und fuhr ihn immer noch. Nach fast zwanzig Jahren hatte er erst gute zweihunderttausend Kilometer drauf und immer noch denselben Motor. Ich fuhr ja auch nicht viel damit herum – höchstens, daß ich mal eine kleine Urlaubsreise machte oder an irgendeinen Fluß zum Fischen fuhr. Seit ich Cassie kannte, hatte ich den Wagen häufiger benutzt, obwohl ich auch mit ihr nur selten eine größere Reise unternahm. In der Regel fuhren wir nur nach Hollywood, um uns einen Film oder eine Operette anzusehen. Cassie hörte gern in der Bowl Konzerte, während ich am liebsten ins Dodger Stadion ging. Recht häufig gingen wir auch auf dem Strip tanzen. Cassie tanzte ganz ordentlich. Sie wußte sich zu bewegen, konnte sich aber nie ganz gehenlassen und den Kopf völlig ausschalten. Wenn ich aus Los Angeles wegzog, würde ich den Ford mitnehmen. Es interessierte mich einfach, wie lange so ein Auto hielt, wenn man es richtig behandelte.
    Harry war allein, als ich in die kleine Bar mit dem urigen Kiefernholzmobiliar trat. Die Einrichtung bestand aus ein paar Tischen in Nischen, einem Billardtisch und einem Dutzend Barhocker. Die Kneipe war noch nie besonders gut gegangen. Es war ruhig und kühl und dunkel, und das war genau das, was ich im Moment brauchte.
    »Hallo, Bumper«, begrüßte mich Harry und zapfte mir bereits ein Glas Bier.
    »Abend, Harry.« Ich nahm mir eine Handvoll Brezeln aus einer der

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