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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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folgte Harry seinem Beispiel, so daß ich den beiden nur kurz entschlossen fünf Dollar auf die Theke knallte, damit sie sich ordentlich besaufen konnten, und dann schleunigst ging, ohne mich zu verabschieden. Ich werde nie verstehen, wie manche Leute in Altersheimen oder psychiatrischen Kliniken arbeiten können, ohne verrückt zu werden. Ich fühlte mich schon nach einer knappen Stunde mit diesen beiden alten Knackern reif für die Klapsmühle.

 

    8.
    Zehn Minuten später fuhr ich in meinem Ford auf dem Golden State Freeway nach Norden und wurde allmählich hungrig. Ich freute mich schon auf Socorros Enchiladas. Ich erreichte Eagle Rock in der Dämmerung und parkte vor einem großen, alten zweistöckigen Haus mit einem gepflegten Rasen und Blumenbeeten zu beiden Seiten.
    Ich überlegte gerade, ob Socorro wohl auch dieses Jahr wieder Gemüse hinter dem Haus angebaut hatte, als ich Cruz im Wohnzimmer am Fenster stehen sah. Er öffnete die Tür und kam auf die Veranda heraus, in einem braunen Sporthemd, einer alten braunen Hose und Sandalen. Er brauchte sich meinetwegen nicht in Schale zu werfen, denn ich gehörte ja sozusagen zur Familie. Die meisten unverheirateten Polizisten haben so eine Familie, wo sie ab und zu mal hingehen können. Wenn man nämlich sein ganzes Leben im Revier verbringt und nicht hin und wieder mit ganz normalen, anständigen Bürgern zu tun hat, kann man schon einen leichten Hau kriegen. Deshalb sucht man sich dann einen Freund oder Verwandten mit Familie, um dort ab und zu wieder seinen Glauben an das Gute im Menschen aufzufrischen.
    Ich nannte Cruz öfter meinen alten Hausherrn, da ich, nachdem wir gemeinsam die Polizeiakademie abgeschlossen hatten, als Untermieter in sein großes Haus gezogen war. Dolores war damals noch ein Baby gewesen, und Esteban hatte gerade laufen gelernt. Ich hatte fast ein Jahr lang ein Zimmer im ersten Stock bewohnt und Cruz und Socorro geholfen, die Raten für das Haus zusammenzukratzen, bis wir unsere Uniformen und Waffen abgezahlt und finanziell wieder etwas Luft hatten. Dieses gemeinsame Jahr war keineswegs das schlechteste gewesen, und ich werde vor allem Socorros Kochkünste nie vergessen. Sie hatte oft gesagt, sie würde viel lieber für jemanden wie mich kochen, dem das Essen auch wirklich schmeckte, während Cruz nie viel aß und auch nicht sonderlich viel für gutes Essen übrig hatte. Socorro war damals noch ein schlankes, junges Mädchen gewesen, hatte aber trotz ihrer neunzehn Jahre bereits zwei Kinder. Die beiden hatten ihr Leben genossen, bis Esteban Soldat geworden und bald darauf, vor zwei Jahren, gefallen war. Danach hatten sie sich irgendwie verändert, und sie waren nie mehr die alten geworden.
    »Na, wie geht's, Oso?« begrüßte mich Cruz, als ich die Betontreppe zur Veranda hochstieg. Ich mußte grinsen, weil eigentlich Socorro damals angefangen hatte, mich ›Oso‹ zu nennen. Inzwischen habe ich sogar bei einigen Kollegen den Spitznamen ›Bär‹.
    »Alles in Ordnung, Bumper?« erkundigte sich Cruz. »Ich habe gehört, du bist bei dieser Demonstration heute ganz schön in Schwierigkeiten geraten.«
    »Ach was, so schlimm war es gar nicht«, wiegelte ich ab. »Was hast du denn so alles gehört?«
    »Ach nur, daß sie dich ein bißchen herumgeschubst haben. Hijo la … Warum mußt du dich in deinem Alter auch noch auf so was einlassen? Wieso hörst du nicht auf mich und kümmerst dich bloß um deine Funksprüche und überläßt diese militanten Schlägertypen den jüngeren Kollegen?«
    »Ich habe doch auf einen Funkspruch reagiert. So ist das Ganze überhaupt losgegangen. Das hat man nun davon, wenn man auf diesen verdammten Scheißfunk hört.«
    »Komm schon rein, du alter Dickschädel.« Cruz hielt mir grinsend die Tür auf. »Was gibt's denn heute abend?« fragte er mich dann und zeigte zur Küche, nachdem er sich das dichte, graue Haar aus der Stirn gestrichen hatte.
    »Mal sehen …« Ich begann zu schnuppern. Eigentlich war ich mir nicht sicher, da ich aufgrund des Chili- und Zwiebelgeruchs kaum etwas unterscheiden konnte, aber ich tat einfach so, als könnte ich riechen, was Socorro kochte.
    »Chili relleno, Carnitas, Cilantro und Zwiebeln. Und – tja ein paar Enchiladas und Guacamole.«
    Cruz schüttelte den Kopf. »Ich bin echt baff. Das einzige, was du vergessen hast, sind Reis und Bohnen.«
    »Also hör mal, Cruz. Daß es Arruz y frijoles gibt, versteht sich wohl von selbst.«
    »Eine Nase wie ein Hund.«
    »Ist Sukie in

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