Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
dem Zeug lassen.«
    »Ist das dieses Teufelszeug, das du in San Luis gekauft hast? Damals während eures Urlaubs?«
    »Genau – das ist der Rest davon.«
    »Na ja, wenn du das Zeug trinkst, wirst du sowieso keine Leber brauchen.«
    »Das ist echt gut, Bumper. Da, probier mal einen Schluck.«
    »Lieber mit Salz und Zitrone.«
    »Ach was, es geht auch so. Du bist doch hier der Macho, verdammt noch mal. Dann trink auch gefälligst wie einer.«
    Ich nahm drei feurige Schlucke, und ein paar Sekunden, nachdem sie in meinem Bauch angelangt waren, bereute ich es bereits und kippte meine ganze Flasche Bier hinterdrein, während Cruz mit einem Schmunzeln ganz langsam an der Flasche nippte.
    »Mein lieber Schwan!« japste ich. Und als das Brennen in meinen Eingeweiden langsam nachließ, begann ich mich richtig wohl zu fühlen. Das war genau die Medizin, die mein Körper brauchte.
    »In Mexiko haben sie nicht dauernd Salz und Zitronen rumliegen«, erklärte mir Cruz und drückte mir die Flasche noch einmal in die Hand. »Echte Mexikaner verdünnen Mescal nur mit Speichel.«
    »Na, kein Wunder, daß das so zähe Kerle sind«, keuchte ich nach einem weiteren Schluck und gab die Flasche wieder zurück.
    »Wie fühlst du dich jetzt, 'mano?« fragte Cruz kichernd. Wenn er angetrunken war, kicherte er immer so verrückt, und das brachte mich jedesmal zum Lachen.
    »Etwa halb so gut wie du«, erwiderte ich und kippte noch mehr Bier nach, um das Brennen in meinem Magen zu beruhigen. Aber das war ein ganz anderes Brennen als jenes, das von meiner Magensäure verursacht wurde eher ein warmes Feuer, das sich im Verglühen herrlich anfühlte.
    »Hast du schon Hunger?« wollte Cruz wissen.
    »Habe ich das nicht immer?«
    »Allerdings. Das kann man wohl sagen. Du hast immer auf alles mögliche Hunger. Immer. Ich wünsche mir oft, so wie du zu sein.«
    »Wie ich?«
    »Du bist ein Genußspecht, in jeder Beziehung. Zu schade, daß das nicht ewig so weitergehen kann. Aber so ist es nun einmal. Und ich bin verdammt froh, daß du jetzt endlich die Kurve gekratzt hast.«
    »Du bist doch besoffen.«
    »Natürlich bin ich das. Aber ich weiß noch sehr wohl, was ich sage, 'mano. Cassie ist dir von Gott gesandt worden. Ich habe darum gebetet.« Darauf griff Cruz in seine Tasche und holte einen Lederbeutel heraus, in dem sich sein Rosenkranz befand. Er drückte ihn leicht und steckte ihn wieder in seine Tasche zurück.
    »Kommt dieser Rosenkranz wirklich aus Jerusalem?«
    »Ja. Ich habe ihn in meiner Schule in El Paso von einem Missionar gekriegt. ›Der erste Preis in Rechtschreibung geht an Cruz Guadelupe Segovia‹, hat der Missionar damals vor versammelter Schule gesagt, und ich wäre an diesem Tag vor Glück fast gestorben. Damals war ich gerade dreizehn. Der Missionar hatte den Rosenkranz aus dem Heiligen Land, und die Perlen waren von Papst Pius XI. geweiht.«
    »Wie viele Mitschüler hast du denn damals ausgestochen?«
    »In die Endausscheidung sind, glaube ich, sechs gekommen. Wir waren ja an der ganzen Schule nur fünfundsiebzig. Die anderen fünf konnten alle kein Englisch. Die dachten, der Wettbewerb wäre in Spanisch, und so habe ich gewonnen.«
    Darüber mußten wir beide lachen. »Ich habe noch nie was gewonnen, Cruz. In dieser Hinsicht bist du mir eindeutig überlegen.« Irgendwie war es schon erstaunlich, sich einen gestandenen Mann wie Cruz vorzustellen, der immer noch diesen Rosenkranz bei sich trug. Und das in diesen Zeiten!
    Und dann flog die Eingangstür auf, und das Wohnzimmer füllte sich mit sieben lärmenden Kindern. Nur Dolores fehlte an diesem Abend. Cruz setzte sich kopfschüttelnd in seinem Sessel zurück und trank weiter sein Bier, während Socorro nun ebenfalls ins Wohnzimmer kam und mir Vorhaltungen machte, weil ich so viele Geschenke gekauft hatte. Über dem Lärm, den die Kinder machten, konnte man jedoch sein eigenes Wort nicht hören.
    »Ist das wirklich so einer, wie sie ihn auch in der Liga tragen?« fragte Nacho, als ich ihm den Baseballhelm zurechtrückte und die Kinnhalterung befestigte, von der ich wußte, daß er sie auf der Stelle wegwerfen würde, sobald ihm seine Freunde erzählten, daß die wirklichen Könner keine Kinnhalter trugen.
    »Seht mal! Hot pants!« quietschte Maria und hielt sie gegen ihren Körper, der sich allmählich rundete. Sie waren aus blauem Jeansstoff mit einem Latz und Flickentaschen.
    »Hot pants?« stöhnte Cruz. »Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Die tragen sie jetzt sogar schon

Weitere Kostenlose Bücher