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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Gute-Nacht-Kuß, und nach einer Viertelstunde wurde es im Oberstock still, ohne daß es vorher lange Diskussionen wegen des Schlafengehens gegeben hätte. Ich hatte weder Cruz noch Socorro jemals eines der Kinder schlagen sehen. Natürlich verdroschen die älteren nicht selten die kleineren – das war etwas anderes. Aber eine ordentliche Tracht Prügel kann jeder mal vertragen.
    Wir schoben den Eßtisch wieder zusammen, breiteten die Spitzendecke darüber und gingen dann – Cruz, Socorro und ich – ins Wohnzimmer. Cruz hatte schon ganz kräftig einen in der Birne und sah auf Socorros Anraten davon ab, sich noch ein Bier zu genehmigen. Ich hatte eine Flasche in meiner rechten Hand und den letzten Rest Mescal in meiner linken.
    Cruz saß neben Socorro auf der Couch und rieb sich sein Gesicht, das sich vermutlich ganz taub anfühlte. Er küßte seine Frau auf den Hals.
    »Sieh bloß zu, daß du hier rauskommst!« schimpfte sie. »Du hast ja eine Fahne, die meilenweit gegen den Wind stinkt.«
    »Wie soll ich gegen den Wind stinken?« lallte Cruz. »Hier drinnen weht doch gar keiner.«
    »Erinnert ihr euch noch, wie wir früher immer nach dem Abendessen so zusammengesessen sind?« schaltete ich mich ein. Allmählich begann ich den Mescal zu spüren und sah die beiden vor mir leicht verschwommen.
    »Weißt du noch, wie schlank und zierlich Sukie damals war?« Cruz grinste und stieß sie zwischen die Rippen.
    »Ich werde dir gleich mal was zeigen«, drohte Socorro und hob eine Hand, die für eine Frau ihres Alters derb und abgearbeitet aussah. Sie war noch nicht ganz vierzig.
    »Sukie war das hübscheste Mädchen, das man sich nur denken kann«, schwelgte ich in Erinnerungen.
    Cruz nickte mit einem einfältigen Grinsen. »Ja, das glaube ich auch.«
    »Und sie ist es immer noch«, fügte ich hinzu. »Und Cruz war der schönste Mann, den ich je gesehen habe – außer Tyrone Power und vielleicht Clark Gable.«
    »Glaubst du wirklich, daß Tyrone Power besser aussah?« wollte Cruz wissen. In meinen Augen hatte er sich bis auf die grauen Haare – kein bißchen verändert. Dieser Kerl hat sich wirklich gut gehalten, mußte ich, nicht ohne Neid, denken.
    »Weil gerade von hübschen Mädchen die Rede ist«, schaltete sich Socorro ein. »Erzähl doch mal ein bißchen was von deinen Plänen mit Cassie, Bumper.«
    »Na ja, wie ich bereits gesagt habe, wollte sie schon mal nach Norden rauffahren, um eine Wohnung zu suchen und sich in der Schule einzuarbeiten. Ende Mai, wenn Cruz und ich unsere zwanzig Jahre hinter uns haben werden, wollte sie dann wieder runterfliegen, und dann wollten wir heiraten. Aber ich habe mich inzwischen entschlossen, die ganze Sache ein wenig einfacher zu machen. Ich werde die nächsten zwei Tage noch arbeiten, und dann wird mein Urlaub genau bis zum Monatsende ausreichen, wo ich offiziell aufhöre. So kann ich jetzt schon mit Cassie losfahren. Vermutlich werden wir Sonntag oder Montag aufbrechen und zwischendurch in Las Vegas noch schnell heiraten.«
    »Ach, Bumper, wir wären doch so gern dabei gewesen, wenn du heiratest«, meinte Socorro enttäuscht.
    »Ach was, in unserem Alter ist doch so eine Hochzeit nichts Besonderes mehr«, versuchte ich sie zu trösten.
    »Wir mögen Cassie wirklich gern, Bumper«, sagte Socorro. »Du hast eine Menge Glück gehabt. Eine bessere Frau hättest du gar nicht finden können.«
    »Und wie sie aussieht!« Cruz zwinkerte mir zu und versuchte zu pfeifen. Aber es gelang ihm nicht. Er war schon zu betrunken.
    Socorro schüttelte den Kopf und sagte: »Sinverguenza«, worauf wir beide über ihn lachten.
    »Was wirst du denn am Freitag machen?« wollte Socorro weiter wissen. »Wirst du einfach wie immer zum Appell erscheinen und dann aufstehen und sagen, daß du in den Ruhestand trittst und das dein letzter Tag ist?«
    »Nein, ich werde mich einfach davonstehlen. Ich werde keinem Menschen etwas davon erzählen. Ich hoffe doch, daß du auch dichtgehalten hast, Cruz?«
    »Aber selbstverständlich«, erwiderte Cruz und mußte rülpsen.
    »Ich werde mich so verabschieden wie vor jedem Wochenende und der Personalabteilung und dem Captain einen Einschreibebrief schicken. Und die Entlassungspapiere werde ich einfach unterzeichnen und ihnen mit der Post zuschicken. Mein Abzeichen und den Ausweis kann ich ja Cruz geben, bevor ich gehe, und dann kann er sie für mich abliefern, so daß ich mich gar nicht mehr auf der Station blicken lassen muß.«
    »Aber irgendwann mußt du auf

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