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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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nicht ein Gramm Fett angesetzt und das schönste Gesicht, das man sich vorstellen konnte.
    »Ich hätte nie gedacht, daß du dir meinet- und Cassies wegen so viele Gedanken machen würdest.«
    »Aber natürlich habe ich das. Schließlich habe ich sie ja auch für dich herbeigebetet. Begreifst du denn nicht, worauf du zugesteuert wärst, Bumper? Du bist jetzt fünfzig. Natürlich warst du der Mache auf der Straße. Aber bei Gott, Bumper, ich konnte es schon richtig vor mir sehen, wie dich eines Tages irgendein junger Spritzer fertigmacht oder wie du irgendeinen Halunken zu stellen versuchst und plötzlich sterbend auf dem Pflaster liegst. Und schließlich – ist dir eigentlich schon mal bewußt geworden, wie viele von unserem Jahrgang schon einen Herzinfarkt hatten?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Auf so was muß man bei der Polizei eben gefaßt sein.«
    »Ganz zu schweigen von dem Risiko, daß dich irgend so ein Arschloch mal über den Haufen knallt. Kannst du dich noch an Driscoll erinnern? Er hatte erst letzten Monat einen Herzinfarkt, und er ist nicht annähernd so fett wie du und außerdem ein paar Jährchen jünger. Ich möchte außerdem wetten, daß der kaum mehr tut, als einen Bleistift in die Hand zu nehmen. Während du dich heute gleich wieder wie der blutigste Anfänger ganz allein unter verrückte Demonstranten mischen mußtest. Was bildest du dir eigentlich ein, Bumper? Glaubst du vielleicht, ich möchte Sargträger für einen Kerl werden, der gut und gern seine zwei Zentner zwanzig wiegt?«
    »Zwei Zentner achtzehn, bitte.«
    »Als Cassie dann auftauchte, sagte ich mir: ›Gott sei Dank! Das ist Bumpers Chance.‹ Aber Sorgen habe ich mir natürlich trotzdem gemacht. Mir war zwar klar, daß dir nicht entgehen würde, was für einen großartigen Fang du mit dieser Frau gemacht hast. Aber ich hatte immer Angst, diese Puta würde dich nicht loslassen.«
    »Habe ich es eigentlich dir zu verdanken, daß sie mich ständig in diese Norddistrikte versetzen wollten? Lieutenant Hilliard hat mir nämlich jedesmal, wenn ich mich deswegen beschwert habe, erklärt, es hätte sich dabei um ein Versehen gehandelt.«
    »Ja, das war ich. Ich habe alles versucht, um dich und dein Revier auseinanderzubringen, aber irgendwann habe ich es dann aufgegeben. Du bist einfach wieder zurückgekommen, was zur Folge hatte, daß sich niemand um den Norden kümmerte. Ich kann mir ganz gut vorstellen, was es für dich für ein Gefühl gewesen sein muß, der Campeon zu sein und von den Leuten entsprechend behandelt zu werden.«
    »Na ja, so toll ist das nun auch wieder nicht.« Ich spielte nervös mit meiner leeren Bierflasche herum.
    »Weißt du eigentlich, was mit den alten Hasen passiert, die sich zu lange auf der Straße herumtreiben?«
    »Was?« In diesem Moment machte mir in meinem Magen eine Enchilada höllisch zu schaffen.
    »Sie werden zu alt für die eigentliche Polizeiarbeit, und sie entwickeln sich zu richtigen Charakteren. Genau das möchte ich nicht miterleben – wie du einfach nur so ein Unikum wirst, dem vielleicht sogar noch was zustößt, bevor es merkt, daß es schon zu alt ist. Ja, zu alt!«
    »Verdammt noch mal, Cruz! So alt bin ich wirklich noch nicht.«
    »Nein, für ein normales Leben ganz sicher nicht. Du hast noch eine Menge guter Jahre vor dir. Aber für einen Krieger, 'mano, ist jetzt die Zeit gekommen, seinen Abschied zu nehmen. Ich war sehr besorgt, als Cassie erst ohne dich abreisen wollte und du dann ein paar Wochen später nachkommen solltest. Ich hatte echt Angst, die Puta würde dich wieder in Beschlag nehmen, wenn du allein hierbleibst. Und ich bin froh, daß du gemeinsam mit Cassie fährst.«
    »Mir geht es doch genauso, Cruz«, erwiderte ich sehr leise, als hätte ich Angst, meine Gedanken laut auszusprechen. »Du hast völlig recht. Das alles ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Ich glaube, ich würde mir eine Kugel durch den Kopf jagen, wenn ich jemals so einsam werden sollte wie einige von den Leuten, die ich im Lauf meines Lebens kennengelernt habe – wie einige Leute in meinem Revier – Heimatlose, Gestrandete, die nirgendwohin gehören …«
    »Genauso ist es, Bumper. Sieh dir doch all die einsamen alten Männer an, die es gibt! Solange man jung und stark ist, kommt man ganz gut allein und ohne Liebe zurecht. Manche schaffen das – Kerle wie du zum Beispiel. Ich dagegen hätte das nie fertiggebracht. Aber wenn man älter wird, hält man's nicht mehr aus, das kannst du mir

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