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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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glauben. Du solltest keine Angst vor der Liebe haben, 'mano.«
    »Habe ich das denn, Cruz?« Ich kaute an zwei Tabletten, da meine Eingeweide fürchterlich brannten. »Ist das vielleicht der Grund, weshalb ich jetzt, wo ich aufhöre, so unsicher bin?«
    Ich konnte Socorro in der Küche summen hören, während sie die Lunchpakete für die ganze Mannschaft vorbereitete. Zum Schluß würde sie den jeweiligen Namen auf jedes Päckchen schreiben und sie alle in den Kühlschrank legen.
    »Erinnerst du dich noch an früher?« fragte Cruz. »Als du mit Socorro und mir und den zwei ersten Kindern zusammengewohnt hast? Und wie du damals fast nie von deinem früheren Leben erzählt hast – auch nicht, wenn du betrunken warst? Nur über deinen Bruder Clem, der tot war, und deine Frau, die dich verlassen hat, hast du ab und zu gesprochen. Über deinen Bruder hast du uns wesentlich mehr erzählt als zum Beispiel über deine Frau. Manchmal hast du im Schlaf nach ihm geschrien. Aber meistens hast du nach jemandem anderen geschrien.«
    Ich lehnte mich in meinen Sessel zurück und hielt mir den Bauch, in dem es heftig rumorte, und all die Pillen in meiner Tasche konnten nichts dagegen ausrichten.
    »Du hast uns zum Beispiel nie von deinem Sohn erzählt. Ich fand es immer ein bißchen schade, daß du mir nicht einmal von ihm erzählt hast, obwohl wir uns doch so nahestanden. Nur im Schlaf hast du mir von ihm erzählt.«
    »Was habe ich da gesagt?«
    »Du hast ›Billy‹ gerufen und alles mögliche zu ihm gesagt. Hin und wieder hast du auch geweint, und ich bin in dein Zimmer gegangen und habe dein Kopfkissen und die Decke vom Boden aufgehoben und dich zugedeckt, weil du alles durch die Gegend geworfen hast.«
    »Ich habe nie von ihm geträumt. Nie!«
    »Aber woher sollte ich es denn sonst wissen, 'mano? Socorro und ich haben viel darüber gesprochen, und wir fragten uns, ob ein Mann, der einen Bruder und einen Sohn verloren hat, jemals wieder lieben kann. Aber wenn man alt wird, muß man jemanden lieben können. Man muß!«
    »Aber wenn man es nicht tut, kann einem nichts passieren, Cruz!« Ich krümmte mich vor Schmerzen. Da er es nicht gewohnt war, so mit mir zu sprechen, sah Cruz zu Boden, und deshalb merkte er nicht, welche Höllenqualen ich ausstand.
    »In gewisser Hinsicht kann dir natürlich nichts passieren, Bumper, aber das Entscheidende, worum es sich letztlich dreht, entgeht dir dadurch. Kein Mensch kann ohne Liebe leben.«
    »Hast du das auch gedacht, als Esteban fiel? Hast du das auch damals wirklich geglaubt?«
    Cruz sah zu mir auf, seine Augen waren noch weicher als sonst, und die Art, wie er sie dann wieder senkte, sagte mir, daß ihm dies alles sehr ernst war. Er blinzelte zweimal und seufzte dann. »Ja, sogar nach Estebans Tod habe ich daran geglaubt – und dies, obwohl er der Älteste war. Das erste Kind nimmt ja immer irgendwie eine Sonderstellung ein. Auch nachdem Esteban gefallen war, hielt ich an dieser Wahrheit fest – trotz all des Leids und all der Trauer um ihn. Selbst in diesen schweren Stunden habe ich daran geglaubt.«
    »Ich hole mir noch eine Tasse Kaffee. Mir tut der Magen ziemlich weh. Etwas Warmes wäre jetzt vielleicht genau das Richtige …«
    Cruz lehnte sich lächelnd in seinem Sessel zurück. Socorro wurde gerade mit ihren letzten Lunchpaketen fertig, und wir unterhielten uns ein wenig, während wir den Kaffee aufwärmten. Die Magenschmerzen wurden langsam besser.
    Während ich dann meinen Kaffee trank, ließ ich mir noch einmal durch den Kopf gehen, was Cruz gesagt hatte. Er hatte völlig recht. Und doch passierte jedesmal, wenn man an irgend jemanden sein Herz verliert, etwas Trauriges, und dieses verbindende Element wird durchgehackt – ich meine, wirklich durchgehackt, mit einem blutigen Beil.
    »Sollen wir wieder zurückgehen und sehen, was unser Alter treibt?«
    »Aber sicher, Sukie.« Ich legte einen Arm um ihre Schultern. Cruz lag schnarchend auf der Couch.
    »Es ist sinnlos, ihn aufzuwecken, wenn er betrunken ist«, meinte Socorro. »Ich werde ihm einfach sein Kopfkissen und eine Decke holen.«
    »Ich finde es nicht gut, wenn er auf der Couch schläft. Hier in dem großen Wohnzimmer ist es doch ganz schön zugig.« Ich kniete neben ihm nieder.
    »Was machst du denn da?« fragte Socorro.
    »Ich bringe ihn ins Bett.« Damit nahm ich ihn auf die Arme.
    »Bumper, du wirst dir noch einen Bruch heben!«
    »Ach was, er wiegt doch fast überhaupt nichts.« Und Cruz war tatsächlich

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