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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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erinnern zu können und mir zu beweisen, daß mein Gedächtnis noch intakt war.
    Er hieß mit Spitznamen Beans. Seinen wirklichen Namen wußte ich nicht, obwohl ich ihn sogar einmal auf einer falschen Urkunde gedruckt gesehen hatte. Er hätte mich vor etwa zehn Jahren fast einmal dazu gebracht, einen anderen Polizisten zu verprügeln – eine Situation, in die ich weder zuvor noch danach je wieder gekommen war.
    Dieser Kollege war Herb Slovin. Herb wurde schließlich gefeuert, weil sie herausbekamen, daß er für einen Kautionsbürgen Werbung machte. Er war bei der Sitte und riet jedem, den er verhaftete, sich an die Laswell Brothers Bail Bonds zu wenden, wofür ihm Slim Laswell jedesmal eine kleine Entschädigung in Form von ein paar Scheinchen zukommen ließ. So etwas wird mindestens so schlimm wie Diebstahl erachtet, und deshalb wurde Herb auf der Stelle gefeuert, als sie ihm auf die Schliche kamen. Allerdings wäre es bei Herb sicher nicht dabei geblieben, wenn seiner Laufbahn bei der Polizei nicht auf diese Weise ein frühzeitiges Ende bereitet worden wäre. Er war ein brutaler Schlägertyp und so geil, daß er auch über einen Vogelkäfig hergefallen wäre, wenn nur ein Kanarienvogel drin war. Ich hatte mir damals schon gedacht, daß ihm schließlich entweder die Weiber oder seine Brutalität zum Verhängnis werden würden.
    Und Beans war dann auch schuld daran gewesen, daß Herb und ich uns beinahe in die Haare geraten wären. Herb haßte nichts mehr, als mit der Grünen Minna durch die Gegend zu fahren und die ganzen Betrunkenen aufzulesen. Eines Abends waren wir wieder einmal gemeinsam unterwegs, als die Meldung hereinkam, daß Beans bäuchlings auf der San Pedro lag und zwei Fahrbahnen blockierte. Er war von oben bis unten vollgekotzt und bepißt und wachte nicht auf, als wir ihn zum Wagen schleppten und hineinpackten. Das war weiter kein Problem. Wir trugen Handschuhe, und es saßen nur noch zwei andere Säufer hinten im Wagen. Etwa zehn Minuten später – wir befanden uns gerade in der East Sixth Street – hörten wir plötzlich hinten im Wagen einen Mordsaufruhr, so daß wir anhielten und ausstiegen, um nachzusehen, was los war. Wir konnten die zwei anderen Säufer gerade noch davon abhalten, Beans, der inzwischen aufgewacht war und sich vielleicht zum erstenmal in seinem Leben wie ein Löwe wehrte, den Schädel einzuschlagen. Ich hatte ihn sicher schon zehn- bis zwanzigmal wegen Trunkenheit verhaftet, ohne daß es je Schwierigkeiten gegeben hätte. Die gab es mit Typen wie Beans eigentlich nie.
    Sobald Herb die Hintertür aufriß und ihnen damit drohte, ihnen die Ohren auszureißen, beruhigten sie sich wieder. Ich kam dann gerade dazu, als Beans, der gleich neben der Tür saß, loslegte: »Leck mich doch am Arsch, du glatzköpfiger Maulesel!« Ich konnte mich vor Lachen kaum halten, da Herb nämlich eine Glatze hatte und mit seinem langen Gesicht und den großen gelben Zähnen wirklich an einen kahlen Esel erinnerte, wenn er in seiner typischen Lache loswieherte.
    Herb fand das jedoch alles andere als witzig und zerrte Beans aus dem Wagen auf die Straße, um dann mit seinen mächtigen, behandschuhten Pranken haltlos auf sein Gesicht einzuschlagen. Anhand der Geräusche, die dabei entstanden, merkte ich, daß Herb Handschuhe mit Metallverstärkung trug. Beans' Gesicht war bereits völlig zerschunden und blutüberströmt, als ich Herb schließlich zurückreißen konnte. Dabei mußte ich natürlich etwas unsanft vorgehen, so daß Herb zu Boden ging.
    »Verdammt, du blödes Arschloch«, knurrte er mich an, als er in einer Mischung aus ungläubigem Staunen und unbändiger Wut zu mir hochsah. Er war so verblüfft, daß sein Fluch eher wie eine Frage klang.
    »Mensch, das ist doch nur ein blöder Saufkopf«, versuchte ich ihn zu beruhigen. Und das hätte eigentlich jedem Polizisten genügen müssen, auf jeden Fall einem alten Hasen wie Herb, der schon zwölf Dienstjahre auf dem Buckel hatte. Einen Säufer ließ man einfach in Frieden ganz gleich, wie dumm er einem kam. Das hatten wir früher zuallererst von den alten Revierbeamten gelernt, wenn sie uns einarbeiteten. Wenn so ein Kerl handgreiflich zu werden droht oder sogar wird, versteht es sich natürlich von selbst, daß man ordentlich hinhaut. Auf diese Weise erspart man es vielleicht einem Kollegen, von so einem Kotzbrocken noch einmal behelligt zu werden, wenn er seine Lektion ein für allemal richtig gelernt hat.
    Aber jeder richtige Polizist weiß

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