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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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natürlich auch, daß man sonst einen Säufer nicht schlägt – selbst wenn sich so ein Kerl extrem aufrührt. Als Polizist ist man sich nämlich durchaus im klaren, wie viele Kollegen Probleme mit dem Alkohol haben, und so schwirrt da in vielen Hinterköpfen sicher der Gedanke herum, man könnte selbst das Häufchen Elend sein, das da auf dem Gehsteig seinen Rausch ausschläft.
    Jedenfalls hatte Herb gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoßen, und er wußte das auch, was uns beiden möglicherweise eine ordentliche Keilerei auf offener Straße ersparte. Ich war mir dabei keineswegs sicher, ob das meinem rosigen Gesicht letzten Endes so gut bekommen hätte, wenn ich mir überlegte, daß Herb mit seinen metallverstärkten Handschuhen ein ehemaliger Ringer und überhaupt ein ganz schön harter Brocken war.
    »Mach so etwas nie wieder mit mir«, zischte er mich schließlich nur an, während wir Beans zurück in den Wagen verfrachteten und die Tür schlossen.
    »Das werde ich auch nicht tun, solange du keine Säufer mehr verprügelst, wenn du mit mir zusammenarbeitest«, entgegnete ich gelassen, obwohl ich innerlich ziemlich nervös war und sogar schon daran dachte, meine Waffe zu ziehen, da Herb im Augenblick einen enorm gefährlichen Eindruck machte. Und man kann ja nie wissen, wozu ein bewaffneter Mann in seiner Wut fähig ist. Er gehörte zu diesen Kerlen, die immer noch ein verstecktes Schießeisen bei sich trugen und prahlten, sie würden es, wenn sie jemanden umbrachten, den sie eigentlich nicht hätten umbringen dürfen, der betreffenden Leiche in die Hand drücken, um auf Notwehr plädieren zu können. Zum Glück kam eben in diesem Augenblick ein Funkspruch herein. Ich ging dran, und dann brachten wir die Nacht in einmütigem Schweigen hinter uns. Am nächsten Abend stellte Herb einen Antrag, wieder einen Streifenwagen fahren zu dürfen, da er mit mir ›private Probleme‹ hätte.
    Kurz darauf kam Herb zur Sitte und wurde gefeuert. Ich hatte den Vorfall inzwischen längst vergessen, bis ich vor etwa einem Jahr Beans auf der Main Street traf. An diesem Abend legte ich mich mit zwei Kerlen an, die ich von einer Pfandleihe aus mit dem Fernglas beobachtet hatte, als sie einem alten Mann mit einem Kartentrick fünfhundert Dollar abknöpften.
    Die beiden waren noch ziemlich jung, und der größere von ihnen, ein Kraftpaket mit einem mächtigen Quadratschädel auf dem Stiernacken, machte mir ganz schön zu schaffen, obwohl ich ihm mit meinem Knüppel bereits zwei Rippen gebrochen hatte. Ich konnte ihn nicht überwältigen, weil mich sein Kumpel ständig von hinten anfiel und auf mich einschlug, bis ich ihn rückwärts einmal gegen ein Auto und einmal gegen eine Wand rammte. Er ließ trotzdem nicht locker, bis schließlich doch eines von den etwa zwanzig Arschlöchern, die um uns herumstanden und den Kampf beobachteten, eingriff und sich des Kerls annahm. Da machte ich den Großen endgültig fertig, indem ich ihm mit dem Knüppel eine über den Adamsapfel zog.
    Ich kettete die beiden Kerle mit einem Paar Handschellen aneinander, und nun sah ich auch, daß es Beans gewesen war, der mir geholfen hatte. Er saß auf dem Boden und übergab sich. Über dem Auge hatte er eine Platzwunde, die ihm der kleinere von den beiden zugefügt hatte. Ich steckte Beans zum Dank ein paar Scheine zu und brachte ihn zu einem Arzt. Außerdem ließ ich ihm vom Adjutanten des Captains eine Urkunde für vorbildliches Betragen als Staatsbürger ausstellen. Natürlich log ich dabei ein wenig. Ich behauptete nämlich, Beans wäre ein angesehener Geschäftsmann, der die Schlägerei beobachtet hätte und mir zu Hilfe gekommen wäre. Wenn ich ihnen gesagt hätte, daß Beans ein kaputter Säufer war, hätten sie ihm die Urkunde sicher nicht ausgestellt. Sie war sauber gerahmt und trug Beans' wirklichen Namen, an den ich mich jedoch im Augenblick beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte. Als ich ihn dann wieder einmal stockbesoffen in der East Sixth Street traf, händigte ich sie ihm aus, und sie schien ihm ausnehmend gut zu gefallen.
    Während mir all dies wieder einfiel, dachte ich schon daran, ihn zurückzurufen und zu fragen, ob er die Urkunde noch hätte. Aber vermutlich hatte er den Rahmen längst verhökert, um sich einen Flachmann kaufen zu können, und mit der Urkunde selbst hatte er wahrscheinlich die Löcher in seinen Schuhen zugestopft. Es ist immer besser, den Leuten nicht zu viele Fragen zu stellen und nicht allzuviel über sie in

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