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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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hast. Weißt du das eigentlich?«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Na ja, dieses Akademikerleben … Ich war doch eine von den Studentinnen, die nie so richtig die Schule verlassen haben. Am liebsten habe ich mit ein paar intellektuellen Klugscheißern herumdiskutiert und palavert, und dann kamst du daher, und … Ich weiß es auch nicht. Jedenfalls ist jetzt alles irgendwie anders.«
    »Jetzt komm aber wieder mal auf den Teppich, Kleines. Anders gefällst du mir viel besser.«
    »Ich möchte, daß du heute nacht kommst«, beharrte sie und sah mir in die Augen.
    »Du weißt ganz genau, daß ich diese Nacht mit niemandem lieber verbringen würde als mit dir. Aber ich müßte heute abend in Abds Harem vorbeischauen und meinen Freunden dort auf Wiedersehen sagen. Und dann sind da noch ein paar andere Kneipen, wo ich kurz mal reinsehen sollte.«
    »Du kannst einfach niemanden enttäuschen«, meinte sie lächelnd.
    »Man sollte sich zumindest Mühe geben.« Mir wurde ganz schön heiß von der Art, wie sie mich anblickte.
    »In letzter Zeit war es ein bißchen schwierig, mit dir ins Bett zu gehen.«
    »Nur noch ein paar Tage«, tröstete ich sie.
    »Also bis morgen«, seufzte sie. »Paß nur auf, daß ich nicht noch hier in meinem Büro über dich herfalle, wenn ich dich zwischen die Finger kriege.«
    »Aber doch nicht im Dienst!« Mit gerunzelter Stirn setzte ich meine Mütze auf – diesmal in einem besonders verwegenen schrägen Winkel. Immerhin ist es ein tolles Gefühl, wenn eine Frau wie Cassie so heiß darauf ist, einen ins Bett zu kriegen.
    Sie lächelte traurig. »Wiedersehen, Bumper.«
    »Bis bald, Kleines. Bis bald.«
    Kaum saß ich wieder in meinem Wagen, kam ein Funkspruch herein.
    »Eins-X-L-Fünfundvierzig, Eins-X-L-Fünfundvierzig«, meldete sich eine weibliche Stimme. »Fahren Sie in das Hotel, vierfünfundzwanzig in der South Main. Möglicherweise befindet sich dort eine Leiche.«
    »Eins-X-L-Fünfundvierzig, Roger«, antwortete ich und dachte gleichzeitig, daß dies wohl das letztemal war, daß ich wegen einer Leiche gerufen wurde.
    Im Eingang des Hotels stand ein älterer, einbeiniger Mann mit all den untrüglichen Kennzeichen eines ehemaligen Alkoholikers.
    »Haben Sie auf der Wache angerufen?« wandte ich mich an ihn, nachdem ich den Schwarzweißen vor dem schäbigen Hotel abgestellt, meinen Knüppel aus der Halterung an der Wagentür genommen und durch den Ring an meinem Gürtel gesteckt hatte.
    »Ja, ich bin Poochie, der Portier«, erwiderte der alte Mann. »Ich glaube, da oben liegt ein Toter.«
    »Und wie kommen Sie darauf?« fragte ich sarkastisch, da der Leichengeruch bereits unverkennbar war, als wir die Treppe zum ersten Stock hinaufstiegen. Die Bodenbretter waren zum Teil herausgerissen, so daß man den Beton darunter sehen konnte.
    Ohne auch nur einmal haltzumachen, hopste der Alte mit seiner Krücke ganz schön schnell die Treppe hinauf. Bis zum ersten Stock waren es ungefähr zwanzig Stufen, und es stank dort oben dermaßen, daß es einem normalen Menschen die Besinnung geraubt hätte. Die meisten Hotelgäste waren jedoch Penner und Säufer, die ihre Sinne bereits so erfolgreich abgetötet hatten, daß sie nichts mehr wahrnahmen. Die Absteige machte einen so schmutzigen Eindruck, daß es mich nicht gewundert hätte, wenn sie im ersten Stock einen gestampften Lehmboden gehabt hätten.
    »Ich habe diesen Typen, der in Nummer zwei-zwölf wohnt, schon mindestens – äh, eine Woche nicht mehr gesehen«, berichtete Poochie, in dessen eingefallenem Mund kein einziger Zahn mehr steckte.
    »Können Sie ihn denn nicht riechen?«
    »Nein.« Er sah mich überrascht an. »Riechen Sie was?«
    »Schon gut.« Ich wandte mich auf dem Korridor nach rechts. »Wo Nummer zwo-zwölf ist, brauchen Sie mir gar nicht erst zu sagen – ich würde es sogar mit verbundenen Augen finden. Bringen Sie mir einen Kaffee.«
    »Milch und Zucker?«
    »Nein, ich meine gemahlenen Kaffee – aus der Dose. Und dann bräuchte ich noch eine Bratpfanne.«
    »Sofort«, erwiderte er, ohne irgendwelche dummen Fragen zu stellen. Wahrscheinlich hatte er schon fünfzig Jahre Übung darin, von Polizisten herumkommandiert zu werden. Ich drückte ein Taschentuch auf meine Nase und öffnete ein Fenster im Gang, das auf die Feuerleiter hinausführte. Dann steckte ich den Kopf hinaus, was jedoch nichts nützte. Ich konnte es immer noch riechen.
    Nach zwei langen Minuten kam Poochie mit einer Pfanne und einer Büchse Kaffee die Treppe

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