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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Erfahrung zu bringen. Auf diese Weise erspart man sich eine Menge Enttäuschungen. Jedenfalls stolperte Beans, den Flachmann unter dem Arm, inzwischen bereits einen halben Block weiter die Straße hinunter.
    Ich nahm meine Sonnenbrille hinter der Sonnenblende in meinem Wagen hervor und machte mich daran, ein bißchen auf und ab zu fahren und zu beobachten, was sich so abspielte. Ich war irgendwie ziemlich hektisch. Schließlich beschloß ich, nicht länger zu warten, sondern gleich zu Cassies Schule zu fahren, wo sie wie jeden Donnerstag schon sehr früh erscheinen würde. Sicher ging es ihr genauso wie mir. Auch sie hatte vermutlich das seltsame Gefühl, alles zum letztenmal zu tun. Aber sie wußte zumindest, daß sie in einer anderen Schule etwas Ähnliches tun würde.
    Ich parkte vor der Schule, was mir die üblichen Bemerkungen von ein paar Schülern eintrug, aber ich dachte nicht im Traum daran, das ganze Stück vom Parkplatz für den Lehrkörper bis zum Haus zu Fuß zu gehen. Cassie war noch nicht in ihrem Büro, aber da die Tür nicht abgeschlossen war, machte ich es mir bequem und wartete.
    Der Schreibtisch war ein exaktes Spiegelbild der Frau, die daran arbeitete – aufgeräumt und ordentlich, interessant und weiblich. Auf einer Seite stand ein seltsam geformter Keramikaschenbecher, den sie einmal bei einem Trödler erstanden hatte. Eine kleine, zart bemalte chinesische Vase enthielt einen Strauß verwelkter Veilchen, die sie sicher sofort auswechseln würde, sobald sie im Büro erschien. Unter den Plastiküberzug ihrer Schreibtischauflage hatte Cassie eine etwas kuriose Bildersammlung gesteckt Porträts von Leuten, die sie bewunderte. Die meisten waren französische Dichter. Cassie schwärmte für Lyrik und hatte auch einmal versucht, mich für die Kunst der japanischen Haikus zu begeistern. Aber schließlich hatte ich sie doch davon überzeugen können, daß ich keine poetische Ader habe. Wenn ich lese, dann interessiere ich mich hauptsächlich für geschichtliche Themen und neue polizeiliche Arbeitsmethoden. Ein Gedicht, auf das Cassie mich hingewiesen hatte, gefiel mir allerdings. Es handelte von wolligen Schafen, Schäfern und wilden, reißenden Hunden. Dieses Gedicht konnte auch ich verstehen.
    Die Tür ging auf, und Cassie kam mit einer Kollegin, einer wohlproportionierten jungen Dame in einem verdammt heißen, rosa Mini, in den Raum. Die beiden kicherten ausgelassen.
    »Oh!« rief Cassies junge Begleiterin. »Wer sind Sie denn?« Die blaue Uniform erschreckte sie offensichtlich.
    Ich lehnte mich in dem ledergepolsterten Schreibtischsessel zurück, lächelte Cassie zu und sog an meiner Zigarre. »Ich bin der liebe gute Schäfer.«
    »Was soll das nun wieder heißen?« murmelte Cassie kopfschüttelnd, um dann ihren Packen Bücher abzulegen und mich zur Überraschung ihrer Begleiterin zu küssen.
    »Dann sind Sie also Cassies Verlobter.« Sie lachte, als ihr endlich ein Licht aufging. »Ich bin Maggie Carson.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Maggie. Ich bin Bumper Morgan«, stellte ich mich vor, immer erfreut, die Bekanntschaft einer Frau zu machen, und dies vor allem, wenn sie hübsch war und einen kräftigen, freundlichen Händedruck hatte.
    »Ich habe schon von Cassies Polizisten gehört, aber als ich dann so plötzlich die Uniform sah, war ich doch ein wenig verblüfft.«
    »Wenn die Leute so eine Uniform sehen, werden sie alle nervös, Maggie«, beruhigte ich sie, um noch scherzhaft hinzuzufügen: »Na, und was haben Sie denn ausgefressen, daß Sie gleich davonlaufen wollen, wenn Sie einem Bullen begegnen?«
    »Jetzt reicht's, Bumper!« meinte Cassie lächelnd. Ich war inzwischen aufgestanden, und sie hatte meinen Arm genommen.
    »Dann werde ich euch zwei mal allein lassen«, verabschiedete sich Maggie mit einem wissenden Zwinkern, wie sie es sicher in Tausenden billiger Liebesfilme gesehen hatte.
    »Nettes Mädchen«, sagte ich, nachdem Maggie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Ich küßte Cassie vier- bis fünfmal.
    »Du hast mir gestern abend sehr gefehlt«, fing Cassie an, während sie sich an mich preßte. Sie roch verdammt gut und sah in ihrem gelben, ärmellosen Kleid sehr anziehend aus. Ihre Arme hatten von der Sonne ein rötliches Braun, und ihr offenes Haar fiel ihr auf die Schultern herab.
    »Dieses Dinner heute abend fällt nicht zufällig aus?«
    »Ich fürchte, nein«, murmelte sie.
    »Dafür werden wir ab morgen so viel Zeit für uns haben, wie wir nur wollen.«
    »Kannst

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