Der Müllmann
sich freudig die Hände.
»Wir kriegen das wieder hin … Da hat sich nur was entzündet, ich mach den Kanal
wieder auf, dann sehen wir ja, was rauskommt!«
Ich konnte ihn nur beneiden. Der Mensch hatte seine Berufung
gefunden und offenbar viel Spaß an seiner Arbeit. Ich nicht.
Als ich eine Stunde später mit dem Hinweis, dass ich nicht Auto
fahren sollte, bevor die Betäubung nachgelassen hat, wieder aus der Praxis
torkelte, war der Parkplatz vor der Praxis wieder frei. Ich war schweißgebadet,
meine gesamte linke Gesichtshälfte fühlte sich taub an, und ich sabberte wie
der Hund vom Nachbarn.
Eigentlich kann der Tag jetzt nur
noch besser werden.
Wäre nett, wenn es so wäre. Große Hoffnung hegte ich da nicht, denn
als Nächstes war Opa Niemanns kleine Wohnung dran.
Es
war viel zu spät, um noch nach Hause zu gehen, also fuhr ich direkt dorthin, wo
meine Crew schon auf mich wartete. Der Transporter stand bereit, die Jungs
waren voller Tatendrang, und Frau Werner, die Dame von der Stadt, wartete
bereits und sah missbilligend auf ihre Uhr. Wenn sie nicht ständig so
verkniffen dreinschauen würde, als würde sie permanent unter Verstopfung
leiden, wäre sie vielleicht sogar eine attraktive Frau. So aber gehörte sie zu
der Sorte Frauen, denen man es nie recht machen konnte und die bei mir einen
Fluchtreflex auslösten.
»Wenn Sie
weiter so unzuverlässig sind, werde ich das melden«, begrüßte sie mich und ging
ohne ein weiteres Wort. »Auf jeden Fall werde ich mich bei Ihrem Chef
beschweren.«
Gut, dachte ich. Mach das. Ich werde es entsprechend zur Kenntnis
nehmen.
Sie hatte Opa Niemanns Schlüssel dabei, und wir schlossen gemeinsam
auf. So hatte der alte Mann also seine letzten Jahre verbracht. Zwei kleine
Zimmer, eine Küche, gerade groß genug, um sich darin umzudrehen, ein Bad, das
ganz bestimmt nicht altengerecht war.
Aber alles war sauber und ordentlich, da hatte ich schon ganz andere
Wohnungen gesehen. Was an Platz da war, war mit alten Möbeln vollgestellt, alle
aus den Zwanzigern bis Vierzigern und gut erhalten, eine Goldgrube für uns.
So sah das auch Bernd, der die Gebrauchtmöbel restaurierte und
verkaufte. Doch noch war es nicht so weit, erst einmal wurde die Wohnung
sorgfältig durchsucht. Der alte Herr hatte es uns einfach gemacht, in dem alten
Sekretär hatte er seine Unterlagen sorgfältig zusammengestellt, und ich fand
dort auch eine alte Geldkassette. Frau Werner fand den zugehörigen Schlüssel,
und wir trugen alles ein: Bargeld, etwas unter neunhundert Euro, zwei alte Sparbücher,
die Kontounterlagen, das Wenige, das er an persönlichen Wertgegenständen noch
besessen hatte. Ich machte von allem Aufnahmen, dann durchsuchten wir die
letzten Winkel seiner Wohnung. Hinter dem Spiegelschrank im Badezimmer wurde
ich dann fündig, fünftausend Euro in großen Scheinen. Auch sie wurden
eingetragen, dann sammelten wir alles an Geld und Schmuck ein, beschrifteten
und versiegelten den Karton und Frau Werner gab das Okay, wir konnten anfangen.
Bevor sie ging, fragte ich sie, was sie über den Tod des alten
Mannes wusste.
»Er wurde im Hof zusammengeschlagen«, teilte sie mir unbeteiligt
mit, während sie auf ihre Uhr schaute. »Ich hörte, er lag da drei Stunden rum,
bevor er gefunden wurde. Er starb dann im Krankenhaus. Innere Blutungen und
eine Lungenentzündung.«
»Weiß man, wer es war?«
»Keine Ahnung«, meinte sie und runzelte die Stirn. »Ich hab gehofft,
er macht mir nicht so viel Arbeit«, fügte sie mürrisch hinzu. In der Kassette
hatten wir Briefe gefunden, die darauf hindeuteten, dass er noch Verwandtschaft
hatte. In Boston. Amerika. Jetzt musste sie doch noch versuchen, die
Hinterbliebenen aufzutreiben und zu kontaktieren.
Die arme Frau konnte einem leidtun.
Ich nickte Bernd zu, und er und seine Leute fielen über Opa Niemanns
kleine Wohnung her wie die Heuschrecken. Geübt und systematisch. In ein paar
Stunden würde nichts mehr darauf hinweisen, dass hier einmal ein alter Herrn
lebte, der vor vielen Jahren auf uns Kinder aufpasste und immer ein
freundliches Wort oder ein Lächeln für uns übrig gehabt hatte.
Ich blieb in der Wohnungstür stehen, sah ein letztes Mal zurück und
zog dann sanft die Tür hinter mir zu.
Mittlerweile hatte die Betäubung aufgehört, es pochte und tat
stärker weh als zuvor. Ich verabschiedete mich von Bernd und ging zu meinem
Wagen.
Auf der Straße pöbelten drei Skinheads herum.
»Was guckst du so, Alter, hast du ein Problem?«,
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