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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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mehr«, antwortete ich kurz. Ich konnte
immer noch nicht fassen, dass sie auf meiner Trauerfeier gewesen war.
    »Wirklich? Und blind bist du auch geworden?«
    Jepp, sie ist sauer.
    »Du hast öfter solche Gedächtnisverluste, nicht wahr?«, meinte sie
kühl. »Vor sechs Jahren konntest du uns auch nicht erklären, was mit deinem
Schwager geschehen ist.«
    Ich atmete tief durch.
    »Der Kerl hat meine Schwester fast totgeprügelt. Sie hat mich
angerufen, ich bin hin und habe meine Nichte eingepackt, um meine Schwester im
Krankenhaus zu besuchen. Doch mein Schwager hatte sie schon abgeholt, und das,
obwohl es eine einstweilige Verfügung gegen ihn gegeben hat. Als Ana Lena und
ich ins Haus zurückkamen, fanden wir die Spuren eines Kampfes vor. Seitdem ist
sie vermisst!« Ich hatte Schwierigkeiten, meine Ruhe zu bewahren. »Marietta, es
ist mir scheißegal, was mit Frank geschehen ist! Meine Schwester ist seit fast
sechs Jahren vermisst … sag mir dazu lieber etwas!«
    »Eine Nachbarin hat angegeben, dass sie sah, wie deine Schwester aus
dem Haus gestürmt ist. Aber deinen Schwager sah sie nicht«, erklärte sie kühl.
Ja, das hatte Frau Kramer mir dann auch erzählt.
    »Was kann ich dafür? Vielleicht ist er durch die Garage raus? Ich
weiß es nicht. Als ich mit Ana Lena zurückkam, war alles schon vorbei.« Das
zumindest war die Wahrheit. Zum Teil jedenfalls.
    »Ja«, nickte sie. »Das hast du damals auch behauptet.« Sie sah auf
meine geballten Hände herab und hob eine Augenbraue. Berthold stand immer noch
an dem Wagen, aber er stand nicht mehr ganz so lässig da wie zuvor. Eine
falsche Geste, schien sein Blick zu sagen, dann gibt’s Ärger. Geballte Fäuste
waren offenbar schon nahe dran an falsch. Für wen hielt er mich? Einen Frauenmörder?
    Du könntest ihm erklären, dass du
noch nie jemanden grundlos umgebracht hast. Das wird ihn bestimmt beruhigen.
    Ich entspannte meine Hände.
    »Was hat das mit diesem Italiener zu tun? Bin ich jetzt ein
Tatverdächtiger?«, fragte ich so ruhig ich konnte.
    Ihr Blick glitt über mein Gesicht, dann schüttelte sie leicht den
Kopf. »Nein«, sagte sie leiser. »Ich weiß nur, dass du etwas zu verbergen hast,
Heinrich.«
    »Du vermutest es.«
    »Nein«, widersprach sie. »Ich weiß es. Ich kenne dich, Heinrich.«
    »Es ist über zwanzig Jahre her.«
    »Manches ändert sich nicht.« Sie nickte erneut, als hätte sie etwas
bestätigt gefunden, und wurde wieder formell. »Also gut. Wenn Ihnen etwas Neues
einfällt, das uns weiterhilft, Sie wissen, wo Sie mich erreichen können.« Sie
wandte sich zum Gehen.
    »Warte bitte«, sagte ich leise und berührte sie leicht am Arm. Ich
sah auf ihre linke Hand herab, dorthin, wo kein Ring zu sehen war. Ich weiß
auch nicht, warum ich das tat, aber der Teufel ritt mich. »Du bist nicht mehr
verheiratet?«
    Sie schaute überrascht auf.
    »Nein. Obwohl es dich nichts angeht.« Sie wollte sich wieder
abwenden, wieder berührte ich sie am Arm, Herr Berthold hatte sich mittlerweile
vom Wagen gelöst und kam langsam zu uns.
    Tu’s nicht!
    »Darf ich dich ausführen? Zum Abendessen einladen? Oder auf einen
Wein?«
    Sie blinzelte langsam. Zweimal.
    »Du fragst mich nach einem Date?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte ich und bemerkte, wie mir das Herz pochte. »So ist es
wohl. Ich …«, mir fiel nichts weiter ein, also zuckte ich mit den Schultern.
    »Okay, Heinrich«, sagte sie, ihr Gesicht so neutral, dass es mir
unmöglich war, etwas darin zu erkennen. »Freitagabend. Um acht.«
    Sie drehte sich um und ging zu Berthold, diesmal hielt ich sie nicht
zurück, sondern stand nur da und schaute zu, wie die beiden einstiegen und
davonfuhren.
    Ich konnte nicht glauben, dass ich sie eben gefragt hatte. Und noch
weniger konnte ich verstehen, warum sie tatsächlich zugesagt hatte!
    Sie würde mich löchern. Sie würde sich nicht abspeisen lassen und
nicht Ruhe geben, bis sie alles herausgefunden hatte. Dennoch sah ich ihrem
Wagen nach, bis er vorne an der Ecke abbog. Dann ging ich hinüber zu Frau
Kramer, die, auf ihrem Krückstock gelehnt, sich die ganze Sache von ihrer
Haustür aus angesehen hatte. Vielleicht konnte ich Marietta fragen, ob sie
etwas über Opa Niemann wusste.
    Ich gab ihr den dicken Packen sorgsam verschnürter, vergilbter
Briefe, die ich in einer Schublade des Sekretärs gefunden hatte.
    »Danke«, hauchte sie und hielt den Packen an ihre Brust. »Sie ahnen
nicht, was das für mich bedeutet.«
    Ich gab ihr noch das Foto, das ich in einem

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