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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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er die Tür erreichte. Der Herr Journalist blieb im Türrahmen stehen und
grinste die ältere Dame breit an. »Noch mal, danke schön, dass Sie gepetzt
haben!«, legte er nach und zog die Tür hinter sich zu.
    »Ich habe nicht gepetzt!«, protestierte die Dame und schaute in die
Runde, um Bestätigung zu erhalten. »Schließlich ist es nur die reine Wahrheit!«
    »Sicherlich«, beschwichtigte Marietta sie. Für sie schien das Thema
Landvogt jetzt erst einmal erledigt. »Sie drei wurden also Zeugen des Mordes?«
    Anette nickte. »Wir drei und noch fünf andere Gäste.« Sie sah zu den
Streifenpolizisten hinüber. »Das habe ich Ihren Kollegen auch schon gesagt«,
teilte sie uns hoheitsvoll mit.
    »Dann muss ich Sie alle bitten, mit aufs Präsidium zu kommen, damit
wir Ihre Zeugenaussage aufnehmen können.«
    »Das würde ich lieber hier machen«, kam der überraschende Einwurf
von der Seitenlinie.
    »Das geht leider nicht, Frau …« Marietta sah die ältere Dame fragend
an.
    »Mayer. Louise Mayer. Habe ich auch schon diesem netten jungen Mann
gesagt«, meinte die Dame und lächelte freundlich, während sie mit ihrer Tasse
den einen Polizisten ausdeutete. »Ich würde das gerne hier erledigen. Ich wohne
um die Ecke, und nachher kommt meine Enkelin zu Besuch, und das käme mir jetzt
gar nicht recht, irgendwohin mitzukommen.«
    Falsche Antwort, dachte ich und lehnte mich entspannt zurück, um das
Schauspiel zu genießen.
    Offenbar war Marietta doch nicht mehr so impulsiv wie früher, denn
sie blinzelte nur einmal, blieb aber ansonsten überraschend ruhig. »Sie wurden
Zeuge eines Mordes«, erklärte sie.
    »Ich weiß«, stimmte Frau Mayer höflich zu. »Ich habe es ja selbst
gesehen!«
    Jemand von der Spurensicherung, der um Lucio herum erst einmal mit
dem Fotografieren angefangen hatten, hustete erstickt und erntete dafür einen
amüsiert strafenden Blick von Kommissar Berthold.
    Niemand konnte etwas dafür, wie er aussah. Wahrscheinlich war
Kommissar Berthold sogar ein netter Kerl, wenn man ihn nur richtig kannte. Ich
versuchte, nicht zu voreilig zu urteilen, aber dieser amüsierte Gesichtsausdruck
ging mir mittlerweile gewaltig gegen den Strich.
    Gut, dass du so gut wie nie
eifersüchtig bist.
    Ja, genau.
    Mariettas Geduld schien jetzt doch langsam nachzulassen. Auch
gegenüber alten Damen.
    »Sie alle …«, sagte sie leise, aber sehr, sehr deutlich, »werden
jetzt mit aufs Präsidium kommen.«
    »Aber ich hab doch gar nichts getan!«, protestierte Frau Mayer.
    »Bevor Sie hier irgendwas verwechseln, das war keine Bitte«,
erklärte Marietta kühl. »Hier ist ein Mord geschehen, und es ist Ihre
Bürgerpflicht, bei der Aufklärung dieser Straftat Hilfe zu leisten!«
    »Von Ihnen, junges Fräulein, lasse ich mir keine Befehle erteilen!«
    Kommissar Berthold räusperte sich und sein Lächeln war so charmant,
dass sogar ich etwas blinzeln musste. Neben mir schluckte Anette und
beobachtete den Kommissar wie ein hypnotisiertes Kaninchen mit tellergroßen
Augen.
    »Gnädigste …«, sagte Berthold und ergriff mitfühlend die Hand der
alten Dame. »Wir benötigen wirklich Ihre Hilfe. Aber ich sehe ein, dass es
Unannehmlichkeiten für Sie birgt … also werde ich persönlich dafür sorgen, dass
Sie direkt wieder mit einem Streifenwagen nach Hause gebracht werden … und je
länger wir hier die Arbeit der Kollegen behindern, umso länger wird es dauern.
Ich bin mir sicher, dass wir Ihre Aussage schnell aufnehmen können, sie wird
für den Verlauf unserer weiteren Ermittlungen sicherlich von größter
Wichtigkeit sein, Ihre hervorragende Beobachtungsgabe haben Sie ja bereits
hinlänglich bewiesen.«
    »Meinen Sie?«, fragte Frau Mayer und wurde entzückend rot.
    »Aber sicherlich«, antwortete der Kommissar und führte die alte Dame
mit einer galanten Verbeugung zur Tür.
    »Ich glaub das nicht …«, flüsterte Anette neben mir, ihr Blick noch
immer wie gebannt auf den Kommissar gerichtet.
    Ich auch nicht, aber ich war mir nicht sicher, ob wir dasselbe
meinten.

    »Ist
das Ihr Beruf? Entsorgungsspezialist?«, fragte Marietta etwas später. Wir
befanden uns im Präsidium auf der Miquelallee, ein schöner klassizistischer Bau
mit hohen Gängen und großen lichten Räumen. Auch dieser Raum war hell und groß,
aber deutlich überfüllt. Wir saßen an einem kleinen Tisch, den irgendwer mehr
schlecht als recht an die rechte Wand gequetscht hatte. Bis jetzt hatte sie
nicht das geringste Anzeichen dafür gezeigt, dass sie wusste,

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