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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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einer Reihe anderer bedeutender Persönlichkeiten. Zumindest waren sie zu ihren Lebzeiten berühmt gewesen. Ich hingegen hatte von den meisten noch nie etwas gehört. Der eigentliche Soma war das zentrale Gebäude, ein prachtvolles Bauwerk in Form eines ionischen Tempels, der auf einer herausgehobenen Marmorplattform stand und von einer Armee in Stein gehauener Götter und Göttinnen, makedonischer Majestäten, Soldaten und prominenter Feinde bevölkert war. Die Könige, die Alexander besiegt hatte, waren kniend und in Ketten dargestellt, mit Ringen um den Hals. Das Dach war mit Gold besetzt, ebenso die Kapitelle und Basen der Säulen. Alles war in farbenprächtigem Marmor erbaut, den man aus den von Alexander eroberten Ländern hergeschafft hatte.
    Am Eingang trafen wir auf eine kleine Gruppe ausländischer Besucher, die auf eine Führung warteten. Diese Grabstätte war den Ptolemäern heilig, und man konnte nicht einfach auf eigene Faust darin herum spazieren. Nach einer Weile erschien ein kahlgeschorener Priester. Sobald er Julia und mich entdeckt hatte, kam er auf uns zugeeilt.
    »Willkommen, Senator, meine Dame. Sie sind gerade rechtzeitig zur nächsten Führung gekommen.« Das will ich auch hoffen, dachte ich. Die anderen zeigten ihm ihre Buchung.
    Selbstverständlich brauchten wir so etwas nicht. Es war eine gemischte Gruppe: ein wohlhabender Gewürzhändler aus Antiochia, ein Historiker aus Athen, eine zu heftig geschminkte Matrone aus Arabia Felix und ein mindestens zwei Meter großer Priester oder Gelehrter aus Äthiopien, eine in Alexandria keineswegs ungewöhnliche Versammlung. Durch die schweren goldbeschlagenen Portale betraten wir das Innere.
    Dort stach als erstes eine riesige Alexander-Statue ins Auge.
    Der große Feldherr saß auf einem Thron und wirkte sehr lebensecht, von den seltsamen Widderhörnern, die aus seinen Schläfen sprießten, einmal abgesehen. In Ägypten wurde Alexander als Sohn des Gottes Ammon verehrt, dessen Schutztier der Widder war. Der König war im Alter von etwa achtzehn Jahren dargestellt, sein langes Haar war mit Gold überzogen. Die Augen waren von einem außergewöhnlichen Blau; wie ich später erfuhr, hatte der Künstler diesen Effekt dadurch erzielt, daß er die Iris aus mehreren feinen Schichten Saphirgranulat gestaltet hatte.
    »Alexander von Makedonien, genannt der Große«, dozierte der Priester, unterstützt von einem beeindruckenden Echo, »starb in Babylon in seinem dreiunddreißigsten Jahr, der 114.
    Olympiade, als Hegesias Archon von Athen war.« Ich versuchte mich daran zu erinnern, wer in jenem Jahr die römischen Konsuln gewesen waren, aber es fiel mir nicht ein. »Bevor er in die Gefilde der unsterblichen Götter einging, eroberte er mehr Land als jeder andere Mann in der Geschichte. Er verleibte dem Reich seines Vaters das gesamte Imperium der Perser sowie verschiedene andere Länder ein. Als er starb, erstreckte sich sein Reich von Makedonien bis nach Indien und im Süden bis zu den Nilkatarakten.« Mach das erst einmal nach, Pompeius, dachte ich.
    »Er starb Mitte Juni«, fuhr der Priester fort, »und da der gottgleiche Alexander keinen volljährigen Erben hatte, lag seine Leiche einen Monat feierlich aufgebahrt, bis seine Generäle sich Über die Zukunft des makedonischen Imperiums geeinigt hatten. Dann wurden erfahrene Ägypter und Chaldäer hinzugezogen, um seine sterblichen Überreste einzubalsamieren.«
    »Sie haben ihn einen Monat dort liegen lassen?« fragte ich.
    »Im Juni? In Babylon?« Julia stieß ihren Ellenbogen in meine Rippen. »Schsch!«
    »Ahm, also, es ist durchaus möglich, daß eine fürsorgliche Person zu Konservierungszwecken die, äh, Körperflüssigkeiten des Königs abgelassen und den König in einem kühlen Raum des Palastes gelagert hat. Jedenfalls war die Leiche Alexanders zweifelsohne anders als die anderer Männer. Er war in den Kreis der Unsterblichen eingegangen, und wahrscheinlich haben seine Mitgötter seinen Körper vor dem Verfall bewahrt wie einst den Rektors, dessen Leiche Achilles mit einem Streitwagen hinter sich hergeschleift hatte.«
    »Das will ich aber auch schwer hoffen«, sagte ich.
    »Ansonsten muß doch der ganze Palast unbewohnbar gewesen sein.« Ein weiterer Rippenstoß von Julia.
    »Die Leiche«, fuhr der Priester fort, »wurde in sidonisches Leinen von edelster Qualität gehüllt und dann, wie ihr gleich sehen werdet, von oben bis unten mit kunstvoll gehämmerten Platten vergoldet, um die exakten

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