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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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versiegelte Schriftrolle.
    »Heute kam ein Sklavenmädchen und gab mir dies. Sie sagte, es wäre ungeheuer wichtig, und daß du es sofort lesen sollst.«
    »Hast du das Mädchen erkannt?« Er zuckte die Schultern.
    »Irgendeine kleine Griechin.«
    »Hat sie den Namen ihres Besitzers genannt?«
    »Außer dem, was ich dir berichtet habe, hat sie nichts gesagt.
    Hat mir den Brief gegeben und ist weggerannt.«
    »In meinem Dienst solltest du mehr gelernt haben.«
    »Sie war gut gekleidet, aber das gilt für alle Sklaven des Palastes. Sie war klein und hatte dunkle Haare und dunkle Augen wie die meisten Griechen. Ich glaube, sie hatte einen athenischen Akzent, aber so gut ist mein Griechisch nicht.«
    Natürlich lehrten inzwischen alle Sprachlehrer das Griechische nach Art der Athener, aber wenn eine Sklavin so sprach, war sie wahrscheinlich tatsächlich aus Athen. Das sagte mir herzlich wenig, weil Sklaven ein sehr internationales Volk sind.
    »Und, willst du den verdammten Brief nicht lesen?« fragte Hermes ungeduldig.
    »Diese Dinge erfordern ein Gefühl für Geschwindigkeit«, erklärte ich ihm, während ich das Siegel brach und die kleine Nachricht entrollte. Sie war auf feinem Papyrus und in makellosem Griechisch geschrieben, offenbar eher mit einer gespaltenen Rohrfeder als mit einem Federkiel oder einem Pinsel. Was zwar alles recht unterhaltsam, jedoch keineswegs schrecklich relevant war. Die Botschaft hingegen war es. Sie lautete: An Decius Caecilius Metellus den Jüngeren, sei gegrüßt. Wir haben uns noch nie getroffen. Ich bin Hypatia, die Konkubine seiner Exzellenz Orodes, Botschafter König Phraates" III. von Parthien. Ich habe dir wichtige Informationen betreffs Parthien, Rom und Iphikrates von Chios mitzuteilen. Triff mich heute nacht in der Nekropolis am Grabmal von Kopshef-Ra. Es ist das größte Grabmal am südlichen Rand des Platzes, der von dem Obelisken der Sphinx beherrscht wird. Ich werde bei Mondaufgang dorthin kommen und eine Stunde auf dich warten.
    »Ich nehme an, du gehst hin«, sagte Hermes. Er hatte natürlich atemlos an meinen Lippen gehangen. »Es ist das Dümmste, was du tun könntest, also mußt du es tun.«
    »Meinst du, es ist eine Falle?« fragte ich.
    Er starrte mich verblüfft an. »Hältst du etwa für möglich, daß es das nicht ist?«
    »Es ist denkbar. Die Frau hat Julia schon erzählt, daß sie Zugang zu der Korrespondenz von Iphikrates und dem parthischen Hof hat.«
    »Warum sollte sie Parthia verraten?«
    »Sie ist keine Partherin, sondern eine Griechin, und die Griechen verraten jeden. Außerdem ist sie eine Hetaira, eine Gesellschafterin, die man für den hiesigen Aufenthalt des Botschafters gemietet hat. Er wird irgendwann zu seiner Frau nach Hause zurück kehren, und sie wird sich nach einem neuen Patron umsehen, nur daß sie diesmal ein paar Jahre älter sein wird als beim letzten Mal. Es ist nicht unbedingt die Art Beziehung, aus der große Loyalität erwächst.«
    »Du suchst doch nur nach einer Entschuldigung, wieder loszuziehen und Stunk zu machen«, sagte Hermes.
    »Das ist zugegebenermaßen ein Teil davon. Creticus hat mir verboten, die Sache weiter zu verfolgen, und das ist für mich, als würde der Bestiarius im Circus dem Stier mit einem roten Tuch zuwinken.«
    »Der Zweck des Tuches«, bemerkte Hermes, »ist es, den dummen Bullen in einen Speer zu locken.«
    »Fang bloß nicht an, dich über meine Metaphern lustig zu machen. Oder war es ein Gleichnis? Ich werde jedenfalls hingehen.«
    Und so schlich ich trotz des Verbotes eines römischen Beamten und gewarnt von meinem Sklaven bei Dämmerung los, um mich mit einer griechischen Edelkonkubine zu treffen.

X
    Diesmal trug ich keine Wüstenrobe. Nach Einbruch der Dunkelheit reichte der schlichte Umhang eines Reisenden. Vom Meer her blies ein kühler Wind und ließ die Straßenfackeln flackern. Eine Straßenbeleuchtung wäre auch für Rom ein Gewinn, waren die Straßen dort doch so finster, daß ein Mann, der nächtens unterwegs war und von plötzlicher Blindheit geschlagen wurde, das erst am nächsten Morgen bemerken würde. Die Fackeln standen in Abständen von etwa fünfzig Schritten entlang der Straßen in drei Meter hohen Ständern. Sie waren aus in Öl getränkter Hede und wurden die ganze Nacht lang von öffentlichen Sklaven versorgt. Mit den Fackeln und dem Vollmond konnte man des Nachts genauso geschwind und sicher durch die Straßen Alexandrias gehen wie am Tag. Eher noch schneller, weil das übliche

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