Der Musentempel
Da ihre Leiche in meinem Haus gefunden wurde, selbst wenn sie möglicherweise nicht hier gestorben ist, werde ich mich sogar um ihre Beerdigung kümmern. Ist das zufriedenstellend?«
Orodes zog eine finstere Miene. »Absolut, Euer Majestät.«
Nun wandte sich Ptolemaios wieder an uns. »Sag mir, mein junger Decius, wie kam es, daß du dich in Gesellschaft dieser Frau im Daphne herumgetrieben hast?«
»Eigentlich, Majestät«, sagte ich mit dem Gefühl, daß ich so gut wie frei war, »haben wir uns in der Nekropolis getroffen.«
Das quittierte der ganze Hof mit brüllendem Gelächter. »Euer Majestät«, sagte Creticus, »was hat diese ungebührliche Heiterkeit zu bedeuten?«
Ptolemaios wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Exzellenz, die Nekropolis ist zwar die Ruhestätte unserer verehrten Toten, aber sie ist auch der beliebteste Ort für unzüchtiges Treiben in Alexandria. Also, in meinen jüngeren Jahren... na ja, lassen wir das. Fahr fort, mein junger Decius. Es hat sich wirklich gelohnt, für diese Verhandlung aufzustehen.«
»Majestät, ich war im Rahmen der Ermittlungen dort, mit denen du mich persönlich betraut hast.«
»Das habe ich nicht vergessen.«
»Die Frau hat dieses Stelldichein vorgeschlagen, um mir etwas von großer Bedeutung mitzuteilen. Ich dachte, diese Möglichkeit sei der Mühe wert, und traf sie am verabredeten Ort. Sie wollte sich in Rom niederlassen, brauchte jedoch einen Patron, der ihr juristische Unterstützung gewähren konnte. Ich willigte ein, dies zu tun, wenn sich ihr Beweismaterial als hinreichend wichtig erweisen würde.«
»Und worum handelt es sich bei diesem Beweismaterial?«
fragte der König.
»Sie sollte es mir heute abend übergeben, aber durch ihren vorzeitigen Tod ist es nicht mehr dazu gekommen. Ich weiß nicht, um welche Art Beweismaterial es sich handeln sollte.«
Das war nicht ganz gelogen. Das Buch selbst war ja kein belastendes Material. Schließlich hatte ich nicht umsonst Jura studiert.
»Und wie seid ihr dann im Daphne gelandet?« fragte Ptolemaios.
»Sie äußerte den Wunsch, dorthin zu gehen«, erwiderte ich.
»Und?«
»Die Nacht war noch jung, warum also nicht?« Darauf brachen alle erneut in Gelächter aus, mit Ausnahme von Achillas und Orodes. Und Julia.
»Quintus Caecilius Metellus Creticus.«
»Ja, Euer Majestät?«
»Ich finde, daß an der Schuld deines Verwandten begründete Zweifel bestehen. Ich entlasse ihn in deine Obhut. Sieh zu, daß er keinen weiteren Unfug anrichtet.« Ein Kammerdiener klopfte mit seinem eisenbeschlagenen Stab auf den Marmorboden, und alle verbeugten sich vor dem König. Die Römer neigten nur leicht das Haupt, die anderen Ausländer den Oberkörper, während die Ägypter sich bis zum Boden beugten.
»Zurück zur Botschaft«, ordnete Creticus an. Wir machten kehrt und marschierten würdevoll aus dem Gericht. Asklepiodes ging neben mir.
»Das war selbst für meine Verhältnisse eine brillante Vorstellung«, stellte er selbstzufrieden fest.
»Ich werde sie bestimmt nicht vergessen. Gab es noch irgend etwas, was du dem König nicht erzählt hast?«
»Ich habe alles berichtet, was deine Unschuld untermauert.
Bezüglich des Mordes, meine ich. Aber da waren noch andere Spuren. Sie hatte zahlreiche Blutergüsse. Die Frau ist mit beträchtlicher Brutalität ermordet worden.«
»Folter?«
»Dafür habe ich keine Anzeichen erkennen können. Aber ich habe dies in ihrem Mund gefunden.« Er gab mir etwas, das aussah wie ein Stück durchgeweichtes Leder, bräunlich auf der einen Seite, rosafarben auf der anderen.
»Was ist das?« fragte ich.
»Menschliches Fleisch. Wenn wir davon ausgehen, daß die Dame keine Kannibalin war, ist dies ein Stück ihres Mörders.
Oder eines ihrer Mörder. Ein Mann Ende Vierzig, Anfang Fünfzig, von hellhäutiger Rasse, der einen Großteil seines Lebens in der Sonne verbracht hat.« »Asklepiodes, du übertriffst dich selbst. Irgendeine Ahnung, zu welchem Körperteil es gehört?«
»Ein Teil, der gewöhnlich direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist. Das Stück ist zu klein, um mehr zu sagen. Es stammt nicht aus dem Gesicht, von Händen, Füßen oder Penis.
Ich vermute, daß es ein Stück Schulter oder Oberarm ist, aber das kann selbst meine Kunst nicht garantieren.«
»Das reicht«, versicherte ich ihm. »Ich werde sie erwischen, und das wird mir dabei helfen.«
»Nein, das wirst du nicht«, sagte Creticus. »Du gehst nämlich nirgendwohin. Du besteigst das erste Schiff, das
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