Der Musentempel
hatte jedoch dankenswerterweise ihre Geparden zusammen mit den Pavianen und Zwergen daheim gelassen. Dazu hatte sich eine große Schar Prozeßschaulustiger gesellt, unter ihnen Julia, die mit irgendwelchen Damen plauderte. Fausta stand neben Berenike und musterte das Schauspiel spöttisch wie immer.
»Quintus Caecilius Metellus Creticus«, begann Ptolemaios, »deinem Verwandten Decius Caecilius Metellus dem Jüngeren werden schwere Verbrechen vorgeworfen. Eine freie Frau, eine in Alexandria lebende Ausländerin, wurde heute morgen ermordet in seinem Bett aufgefunden. Alle Indizien weisen auf ihn als Schuldigen. Was hast du zu sagen?«
»Euer Majestät, mein Verwandter Decius ist ein unbesonnener und törichter junger Mann, trotzdem halte ich ihn für absolut unfähig, einen kaltblütigen Mord zu begehen. Wie dem auch sei, nach uralter Sitte gehört die Botschaft zum römischen Territorium, weshalb er rechtmäßig vor ein römisches Gericht gestellt werden muß.«
»Euer Majestät«, rief Achillas, »das kann man nicht so einfach abtun. Eine weitere ausländische Botschaft ist in den Fall verwickelt. Die von dem jüngeren Metellus ermordete Hypatia war die feste Konkubine meines guten Freundes, seiner Exzellenz Orodes, des Botschafters von König Phraates III. von Parthia.«
Ptolemaios sah den Anführer der parthischen Delegation an.
»Stimmt das?«
Der Mann trat vor. »Es stimmt, Euer Majestät.« Er entrollte ein Schriftstück vor den Augen des Königs. »Das ist ihr Vertrag über das Konkubinat. Wie du feststellen wirst, wäre er erst in mehr als einem Jahr abgelaufen, und dieser Mann«, er zeigte mit einem langen Finger auf mich, »schuldet mir den Differenzbetrag wegen vorzeitiger Beendigung des Vertrages.«
»Ich verstehe«, sagte Ptolemaios. »In diesem Fall, Botschafter Metellus, muß ich, da eine weitere ausländische Botschaft betroffen ist, auf einer weiteren Untersuchung bestehen. Beharrt Decius auf seiner Unschuld?«
»Das tue ich, Majestät«, sagte ich, ohne zu warten, bis Creticus eingriff.
»Euer Majestät«, sagte Achillas, »man hat nicht nur die Leiche der Frau in seinem Bett gefunden, daneben lagen auch eine Maske und Kränze, wie sie vor dem Daphne verkauft werden. Wenn du wünschst, werde ich Zeugen auftreiben, die beobachtet haben, wie sich der Mörder und die Frau gestern nacht dort amüsiert haben.«
Creticus lief dunkelrot an und begann sich aufzublähen wie ein Ochsenfrosch. Sein Ärger galt jetzt nicht mehr mir, sondern Achillas. »Darf ich fragen, was du mit der ganzen Sache zu tun hast, mein Herr? Und woher du weißt, was sich in Decius' Kammer befunden hat? Das ist römisches Herrschaftsgebiet!«
»Was ich damit zu tun habe? Ich bin ein loyaler Diener des Königs Ptolemaios und möchte verhindern, daß sich gewalttätige Ausländer in seiner Nähe aufhalten. Was mein Wissen über die gefundenen Gegenstände anbetrifft, das weiß inzwischen jeder im Palast. Euer Personal ist ein schwatzhafter Haufen.«
»Wohl eher ein Haufen bezahlter Spione!« rief Creticus.
In diesem Moment ging die Tür auf, und Rufus kam herein, dicht gefolgt von Amphitryon und Asklepiodes. Ich hätte vor Erleichterung in Ohnmacht fallen können. Im Vorbeigehenwarf Asklepiodes mir ein Lächeln zu. Rette mich, alter Freund, dachte ich. Rufus gesellte sich zur römischen Gesandtschaft und beugte sich zu mir.
»Jetzt schulde ich dir keine fünfhundert Denarii mehr«, flüsterte er.
»Ich schenke sie dir aus ganzem Herzen«, erwiderte ich inbrünstig. Ich wußte, daß ich es zurückgewinnen würde. Der Mann war ein miserabler Pferde- und Wagenlenkerkenner.
»Und was haben die Herren hier zu suchen?« fragte Ptolemaios.
»Euer Majestät«, sagte Amphitryon mit einer Verbeugung, »dies ist der Arzt Asklepiodes, der zu Gastvorlesungen in der medizinischen Fakultät des Museions weilt.«
»Ich kann mich an ihn erinnern«, sagte Ptolemaios.
»Herr, Asklepiodes gilt weltweit als führender Experte für durch Waffen beigebrachte Verletzungen. Wir kommen soeben von der Untersuchung der ermordeten Frau, und er hat Informationen, die für den Fortgang dieses Verfahrens von großem Interesse sein könnten.« »Euer Majestät!« brüllte Achillas. »Müssen wir dieses sophistische Gemurmel irgendwelcher Philosophen ertragen?«
»Majestät«, sagte Creticus, »der ehrwürdige Amphitryon spricht die Wahrheit. Asklepiodes gilt als Autorität auf diesem Gebiet und hat in der Vergangenheit schon oft vor römischen
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