Der Musentempel
Asia Minor bis zum Hellespont schicken, bis sie gemeinsam die Römer aus diesen Gebieten verdrängt hatten. Der Plan war unglaublich ehrgeizig und wäre auch völlig unrealistisch gewesen, wenn wir uns nicht gerade auf einen Krieg gegen Gallien vorbereitet hätten. Seit Mithridates' Tod hatten wir uns an die bequeme Vorstellung gewöhnt, daß der Orient völlig befriedet war. Sie konnten es, wie mir klar wurde, möglicherweise tatsächlich schaffen.
Doch das konnte ich nicht zulassen. Ich hatte alles gehört. Ich war an Ort und Stelle und hatte die verräterischen Dokumente wie auch die Verschwörer in Reichweite. Vor allem jedoch verspürte ich ein absolut quälendes Bedürfnis zu urinieren.
Stundenlang unter einem Bett zu liegen, ohne sich zu bewegen, zu kratzen oder zu niesen, ist schon schwierig genug.
Aber wenn man vorher ein wenig chiischen Wein genossen hat, ist es noch weit schlimmer.
»Ich denke, damit ist unser Geschäft abgeschlossen«, sagte Militärstiefel, die Stimme noch immer merkwürdig gepreßt.
»Draußen wird es hell.«
»Ich werde das Buch und die beiliegenden Dokumente an König Phraates schicken«, sagte Orientalenpantoffel.
»Und ich mach mich auf zum Tempel«, sagte Griechensandale. »Ich wünsche den Herren einen guten Tag und ein schönes neues Zeitalter.«
»Nicht so hastig!« sagte ich, unter dem Bett hervorplatzend.
Das zerbrechliche ägyptische Möbel landete krachend an der Wand hinter mir, als ich mein Schwert zog. »Jetzt hab ich euch alle...«
Die drei wichen überrascht zurück. Das erste, was mir auffiel, war, daß Militärstiefel nicht Achillas, sondern Memnon war. Es war Memnon, der einen Verband am Kinn trug, wo mein Caestus seine Marke hinterlassen hatte. Kein Wunder, daß seine Stimme gepreßt klang. Auch er hatte sein Schwert gezogen.
Orodes war genau der, für den ich ihn gehalten hatte, aber den anderen erkannte ich nicht, obwohl er mir verdammt bekannt vorkam. Er war ein Grieche mit einem sauber gestutzten Bart und Haaren bis knapp über die Ohren. Seine Hand glitt unter seine Tunika und kam mit einer seltsamen Axt wieder hervor.
Die Klinge war gebogen und aus der stumpfen Kante ragte ein kurzer Dorn. Der Griff war grob auf etwa dreißig Zentimeter Länge gestutzt worden. Ich grinste ihn an.
»Ohne die Perücke und den falschen Bart siehst du viel besser aus, Ataxas«, sagte ich. »Aber warum die Axt? Tötest du damit deine Opferstiere? Vermutlich hast du als Sklave nie gelernt, die Waffe eines freien Mannes zu führen.«
»Der Römer!« sagte Memnon und schenkte mir ein Lächeln, das ihm weh getan haben mußte. »Ich habe geschworen, die Schläge, die du mir verpaßt hast, zu rächen!«
Orodes stürzte auf das Buch zu. Es lag wieder zusammen gerollt neben einem Stapel kleinerer Schriftstücke zweifelsohne die früheren Entwürfe des Vertrages. Er griff nach dem Buch, und ich ließ die Spitze meines Gladius hervorschnellen und schlitzte ihm den Unterarm vom Handgelenk bis zum Ellenbogen auf. Er schrie auf und wich zurück.
»Nein, nein«, sagte ich. »Das gehört mir. Es wird ein paar nette Prozesse wegen Hochverrats mit anschließender Kreuzigung geben, wenn ich das zunächst König Ptolemaios und dann dem Senat präsentiere.«
Memnon gluckste. »Römer, glaubst du etwa, daß du hier lebend rauskommst? Du irrst.« Er tänzelte aus den Knien federnd auf mich zu in einer Art, die den geübten Schwertkämpfer erkennen ließ. Ich bewegte mich, wie ich es gelernt hatte, nach Gladiatorenmanier auf den Ballen balancierend auf ihn zu. Ich packte einen zierlichen Stuhl, um ihn als Schild zu benutzen. Memnon riß zum selben Zweck mit dem linken Unterarm seinen Umhang vor den Körper.
Memnon holte zu einem Stoß auf meinen Hals aus, aber da er ein griechisches Schwert hatte, das länger als meines und damit ein klein wenig langsamer war, konnte ich ihm ausweichen und zum Gegenstoß ansetzen. Wenn man mit einem Gladius zustößt, wird der eigene Arm zum verwundbaren Ziel. Deshalb tragen Gladiatoren auch einen Panzer um den Schwertarm. Ich ließ meinen Arm also blitzschnell wie die Zunge einer Schlange vor und wieder zurückschnellen. Ich hatte direkt auf Memnons Gurgel gezielt, aber er wich zurück und duckte sich weg, so daß ich ihm nur einen Kratzer am Kinn verpaßte. Doch ich hatte meinen Arm so schnell wieder zurückgezogen, daß er keine Gelegenheit hatte, danach zu stechen. Er zielte jedoch auf meinen Bauch. Ich wich, wegen des langen Aufenthalts unter dem
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