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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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für öffentliche Auftritte und für Videoclips bereitstellen.
    Was ist ein It-Girl? Dass Paris Hilton ein Prototyp ist, gilt als gesichert, aber was ist das? Ich versuche eine korrekte Übersetzung und zugleich freudianische Definition von »It-Girl«: Junge Frau mit Es-Störung. Das soll als Intro für Britney genügen.
Britney Spears OOPS! I DID IT AGAIN (2000)
    – http://www.youtube.com/watch?v=TgIXn-rC7Qo
    Dieser wunderbar eindeutig mehrdeutige Titel, von Max Martin und Rami Yacoub geschrieben und produziert für Britney Spears und ihr zweites gleichnamiges Studioalbum, ist ein Erfolgsmeilenstein auf ihrem Weg vom Disney-Mickey-Mäuschen zur Femme Fatale – und das mit zahlreichen It-Girl-Schlenkern und skandalträchtigen Aussetzern. All das hat, als sei es Teil einer genau kalkulierten Inszenierung, zu ihren sensationsgetränkten Erfolgen beigetragen. In diesem Milieu wirken auch reale Abstürze und schreckliche Demütigungen wie Publicity-Maßnahmen. Dieser Live-Mitschnitt ist insofern charakteristisch, als ein lippensynchrones Nachvollziehen des Playbacks offensichtlich gar nicht angestrebt ist, da die Tanz-Performance ganz im Vordergrund steht.

    Martin und Yacoub stützen sich dabei auf eine Harmonie- und Bassfolge mit variabler Melodik, die seit dem frühen 16. Jahrhundert in ganz Europa bekannt und beliebt wurde: der Tanz bzw. der Tanz-Lied-Typus »La Folia«, aus Portugal stammend und einen »Wahnsinn« bezeichnend. Es gibt kaum einen späteren Komponisten, der es nicht aufgegriffen und variiert hätte (Corelli, Bach, Beethoven, Brahms, Liszt, Rachmaninow …), aber für die Macher der Popmusik ist das große Vorbild in der Filmmusik angesiedelt: Der griechische Komponist Vangelis setzt das als Titelmusik in 1492 – Conquest of Paradise ein. (Damit zog Henry Maske zu seinen Weltmeisterschafts-Boxkämpfen in die Arena ein.) Aus dem getragen-machtvollen, hymnischen Dreiertakt dort bei Vangelis machten Martin und Yacoub einen Michael-Jackson-nahen (Artikulation, vokal wie instrumental!) Moderato-Vierer.
Die Sterntaler
    Es war einmal ein Märchen, in dem war alles kurz geraten, so kurz wie das kleine Mädchen, das von seinen Eltern an einen Märchenkonzern verkauft worden war, »aber nur kurz«, wie sie sagten, weil ihnen mal wieder die Kohle für den Stoff fehlte. Das kurze Mädchen im kurzen Märchen nun ward trefflich erzogen in diesem Konzern, der seine Kröten mit allerlei Getier machte, mit Mäusen, Enten, Zwergen, Dschungeltieren und Meerjungfrauen. Es währte nur ein Kurzes, da war die Maid zu einer kleinen, aber stattlichen Top-Pop-Tusse herangewachsen, konnte moderieren und hopsen und singen, dass es eine Freude war.
    Aber in diesem Märchen war alles so kurz, dass sogar der Verstand des Mädchens betroffen war; und auch die Qualität der Musik, die ihm vom Märchenkonzern vorgeschrieben wurde, war argkurz geraten, aber immerhin konnte sein zu kurzes Röckchen bei den Fans für einigen Ausgleich sorgen. Als das aber eines Tages nichts mehr nützte und die Erfolgsmomente immer kürzer wurden, da kürzte auch der Konzern seinem kleinen Star den Etat mehr und mehr, bis das Mädchen seinen Trost bei den Sternen fand. Das waren Sterne, die auf bunten Flaschen jeglicher Formen zu finden waren. Von denen ließen sich die kurzen aber besonders gut transportieren. Flachmänner, so wurden sie liebevoll genannt. Drei, vier, ja fünf Sterne gab es da zu bewundern, und je mehr Sterne, desto tiefer konnte die ehemalige Top-Pop-Tusse ins Tal des Vergessens abtauchen.
    Die himmlischen Mächte aber hatten Mitleid mit dem Mädchen, und als es nächtens nahezu nüchtern durch eine sternklare kurze Sommernacht wanderte, da blickte es zu den goldnen Sternlein über sich hinauf, seufzte und dachte bei sich: »O hätten doch diese Sternlein dort droben Erbarmen mit mir, die ich ein Sternlein bin wie sie, und nicht nur die auf den kurzen Flaschen.« Es war ihm aber nichts als ein letztes kurzes Hemdlein geblieben, und als es das kurz anhob, da fielen auf einmal viele Sternlein vom Himmel hinein und waren lauter harte, blanke Taler geworden.
    Sterntaler, so wurde dieses märchenhafte Ereignis allgemein genannt. Aber das stellte sich später als ein spektakulärer Werbegag eines anderen Konzerns heraus, dem konnten seine Künstler und seine Gags nicht gaga genug sein. Sterntaler-Queen, so hieß sie ab jetzt, und sie bekam einen neuen Kurzvertrag, in dem vermerkt war, dass sie bei ihren Kurzauftritten ihr zu kurzes

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