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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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war einmal ein Dirigent, der sagte sich: »Wenn schon mein autokratischer, doch ehrsamer Berufsstand bei den Menschen so vielen Vorurteilen ausgesetzt ist, dann will ich die auch ohne Bedenken in die Tat umsetzen.« Er galt aber, besonders bei den Frauen, als ein alter krummer Hund. Nun hatte er sein siebentes Lebensjahrzehnt fast vollendet, und er wurde unter seinesgleichen deswegen als ein junger Springinsfeld angesehen, gar als ein flotter Hüpfer. In jüngeren Jahren, bei leicht unstetigem Lebenswandel, da hatte ihn der Schlag getroffen, doch das tat seinem Tatendrang keinen Abbruch, und wenn er mit zitternder Hand seinen Einsatz gab, dann fragte das Orchester:
    »Maestro, bei welchem Zacken von deinem Blitz sollen wir denn nun anfangen?«
    Das aber war ein uralter Furtwängler-Witz, der gar trefflich in dieses Märchen passte. Als nun die Musiker das Gerücht verbreiteten, man wolle dem jugendlichen Alten einen Blindenhund schenken, »Dann kann er ja schon mit geschlossenen Augen aufs Podium kommen«, da war er zornig geworden, denn so willkommen ihm die Furtwängler-Witze waren, so ungehalten wurde er bei Karajan-Witzen, die auf seine Kosten gerissen wurden.
    Weil sich der Alte Krumme Hund so selbstherrlich gab, nannten ihn seine Musiker nur »der Alte Sultan«. Er wusste aber davon, und heimlich freute er sich sogar darüber, denn so manche süße Erinnerung an eine Schar junger Instrumentalistinnen und Sängerinnen ging durch seinen Kopf. »Mein kleiner Harem«, so nannte er sie liebevoll. Das war in der Zeit, als die Emanzen noch nicht alle möglichen Positionen im Orchester und in den Ensembles erobert hatten. In dieser Guten Alten Zeit, da zeigten sich die jungen Dinger noch so recht dankbar, wenn der Alte Sultan ihnen eine Stelle oder eine Stellung anbot.
    Wie er nun aber fortfahren wollte mit seinem Haremsgehabe, da zettelten die Musik-Emanzen im Orchester einen Aufstand an. Angeführt wurden die Aufrührerinnen von einer Schlagzeugerin, die ihre Schießbude gar treffsicher beherrschte, und es assistierten ihr eine Basstuba-Spielerin, die jeden Kerl wegpusten konnte, und eine Sängerin, deren Stimmfach war Alt mit der Tendenz zum Bass.
    Die Schießbudenfrau fragte: »Soll ich ihn einfach abschießen, oder gewähren wir ihm, der sich so jung wähnt, noch ein Gnadenbrot auf seine alten Tage?« Und die Basstubistin fragte: »Soll ich ihn einfach umblasen?« Die Sängerin aber war so oft von ihm wegen schiefer Intonation und falschen Rhythmen abgekanzelt worden, dass sie sagte: »Ich sing ihm gern alle diese Partien so lange so falsch vor, bis er den Löffel freiwillig abgibt.«
    »Das wäre eine gute Strafe«, so fanden alle drei, aber der Orchestervorstand gab zu bedenken, dass damit ein Verstoß gegen die Folterbestimmungen der Genfer Konvention gegeben sei, und Gnadenbrot könne doch wohl als die bessere Lösung gelten. »Gut, und an dem soll er sich dann den kümmerlichen Rest seiner Zähne ausbeißen, wenn wir’s nur recht hart werden lassen, das Gnadenbrot«, sprachen da die Musik-Emanzen.
    Der Alte Sultan aber, der hatte heimliche Verbündete im Orchester und besonders in der Kultur-Bürokratie, und die betrieben eine rechte Obstruktionspolitik gegen die Emanzen-Rebellion. »Denn die große, die wirklich große Musik und die Weiber«, davon waren sie überzeugt, »das geht nie und nimmer zusammen. Das ist gegen die Natur.«
    Die Emanzen nun trachteten danach, eine Orchesterchefin auf den Dirigierthron zu bringen. Das berühmte Orchester aber verstand sich als eine Orchester-Republik, und das bedeutete, dass die wackeren Musikanten, weibliche wie männliche und auch all die anderen dazwischen, über alle Fragen abstimmten, und unter den Personalentscheidungen war die Besetzung des Dirigierthrons die vornehmste. So machten sie sich denn auf die Suche nach einer Kandidatin, und sie setzten auch gar neuartige Werkzeuge der Kommunikationsbranche ein, waren sie doch geübt im raschen,sprunghaften Nachschlagen von Informationen im Netz, dem sogenannten Googlehupf.
    Als sie schließlich fündig wurden und eine treffliche, wohl ausgebildete und mit allen Psychotricks des Metiers vertraute Anwärterin auf den Republikthron präsentierten, da wollte auch alles Murren des Alten Sultans und seiner Schar, alles Erzählen von üblen Quoten-Zoten nichts mehr nützen. »Wo kennt die sich wohl besser aus?«, so fragten sie, »Beethoven oder Backofen?« Und sie fügten hinzu: »Von wegen Ausstrahlung! Mehr Maggi als

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