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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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durfte all das aber auf Geheiß des Vaters nur im privaten Zirkel zeigen. Jede größere Öffentlichkeit war für sie im Berlin der 1820er/1830er Jahre tabu, ebenso wie der Wunsch, das Konzertieren oder das Komponieren beruflich zu betreiben. Es gab aber die Einrichtung der familiären »Sonntagsmusiken« im Hause Mendelssohn, Leipziger Straße 3, zu denen dann auch wichtige Persönlichkeiten des Geisteslebens – nicht nur aus Berlin – eingeladen wurden. So fand Fannys Musik wenigstens partiell einen Weg »nach draußen«. Erst nach dem Tod des Vaters wurde gewagt, die Kompositionen wenigstens drucken zu lassen. (Immerhin hatte Felix zuvor heimlich einige der Lieder seiner Schwester unter seinem Namen in eigenen Liederzyklen veröffentlicht.) Der frühe, fast gleichzeitige Tod der Geschwister verhinderte, dass Fannys Potential sich zu voller Blüte entfalten konnte. 20
    Clara Wieck war schon in jungen Jahren als Pianistin ein »Star« von europäischem Rang, der (zur Freude ihres Vaters, der auch ihr Klavierlehrer war) erhebliche Summen verdiente. Mit fünfzehn hatte sie für sich ein beachtliches Klavierkonzert komponiert, dann zahlreiche Klavier-Solo-Werke. Wie in einer Popschnulze kommt jetzt die Liebe ins Spiel: Robert Schumann,ebenfalls Schüler von Vater Wieck, eine künstlerische Bohème-Existenz, geprägt von – wie wir heute sagen würden – »Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll«, höchstbegabter Komponist und auch Literat, bemüht sich erfolgreich um die Erfolgreiche (und somit auch um ihr Vermögen), und sie heiraten nach juristischer Auseinandersetzung gegen den Willen des Vaters. Happy End, wie einige Biografien und Filme suggerieren?
    Die Kinder und die empfindsamen Nerven des Hausherrn lassen Claras künstlerische Aktivitäten verdorren – bis sich herausstellt, dass die Familie nur mit ihren Einkünften existieren kann. Die Wiederaufnahme ihrer künstlerischen Laufbahn und ihre Erfolge provozieren nicht nur Neidgefühle des um Anerkennung ringenden Robert, sondern verstärken seine Depressionen und Wahnvorstellungen. Kompositorisch entstehen bei Clara noch Lieder und Liedzyklen – mit Robert zusammen publiziert sie einen Zyklus von Rückert-Liedern. Nach seinem frühen Tod in der Heilanstalt Endenich bei Bonn komponiert Clara nicht mehr.
    Nach Robert und Clara Schumann nun ein Pop-Äquivalent im 20. Jahrhundert: John Lennon & Yoko Ono. Wieder »Sex & Drugs & Rock’n’ Roll« (immerhin nicht, wie bei Robert Schumann, mit Syphilisinfektion, dafür mit mehr Rock’n’ Roll und Drugs – Schumann begnügte sich noch mit Alkohol und Opium), wieder ein – auch künstlerisch – eifersüchtelndes Ehepaar, dennoch oft kooperierend. Und die Kreativität war nicht einseitig verteilt, wenn auch sehr unterschiedlicher Herkunft: Der Musiker und Sprachkünstler auf der einen Seite, die Fluxus-Künstlerin mit der Tendenz auch zu akustischen Experimenten auf der anderen, beide allerdings auch mit Neigungen zu Dilettantismen. Die konnten bei John in der Beatles-Phase durch die Gruppe und besonders durch George Martin aufgefangen werden – in der Spätphase kommen sie oft erschreckend unverhüllt zutage. Dass Yokos musikalische Fähigkeiten, freundlich ausgedrückt, sehr bescheiden waren, ändert aber nichts daran, dass sie als höhere Tochter in Japan eine gute musikalischeBildung genossen hatte und beispielsweise für John auf dem Klavier Beethoven so spielen konnte, dass er zu eigenen Ideen angeregt wurde.
    Durch Yoko wurde John dazu gebracht, auch über eigene, selbstverständliche Attitüden nachzudenken, und es entstand ein radikalfeministischer Song: WOMAN IS THE NIGGER OF THE WORLD. Die bescheidene musikalische Qualität dieses (und auch anderer) unmittelbar politisch engagierter Songs war beiden durchaus bewusst; John sagte: »Die meisten Leute drücken ihre Gefühle aus, indem sie herumbrüllen oder am Wochenende Fußball spielen gehen. Ich dagegen, ich sitze hier in New York, höre von den 13 Leuten, die sie in Irland erschossen haben, und reagiere sofort – und da ich nun mal bin, wer ich bin, reagiere ich im Viervierteltakt mit einem Gitarrenbreak zwischendrin. Ich sage nicht: ›Mein Gott, was geht da vor, wir sollten etwas unternehmen!‹ Ich singe: ›It was Sunday Bloody Sunday and they shot the people down.‹ Das ist nicht für alle Ewigkeit gedacht. Es ist schon wieder vorbei – abgehakt, weg. Mehr gibt’s nicht. Meine Songs sollen nicht wiedergekäut und

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