Der mysterioese Zylinder
hat also doch geplaudert, das Schwein!« fauchte sie. »Und ich habe ihn für schlauer gehalten. Ich werde ihn fertigmachen, das versprech’ ich Ihnen!«
»Langsam fangen wir an, dieselbe Sprache zu sprechen«, brummte der Inspektor, während er sich nach vorne beugte. »Und was wissen Sie nun über unseren Freund Morgan?«
»Ich weiß etwas über ihn – aber sehen Sie, Inspektor, ich kann Ihnen einen wirklich heißen Tip geben. Sie würden doch einer armen, einsamen Frau keine Anklage wegen Erpressung anhängen wollen, nicht wahr?«
Der Inspektor machte ein langes Gesicht. »Aber, aber, Mrs. Russo!« sagte er. »Sagt man denn so etwas! Ich kann Ihnen natürlich keine Versprechungen machen …« Er erhob sich und baute sich drohend vor ihr auf. Sie schrak ein wenig zurück. »Sie werden mir erzählen, was Sie auf dem Herzen haben, Mrs. Russo«, sagte er bedächtig, »auf die bloße Chance hin, daß ich Ihnen vielleicht meine Dankbarkeit in der allgemein üblichen Art erweisen werde. Fangen Sie jetzt bitte an zu reden, aber die Wahrheit, ist das klar?«
»Oh, ich weiß nur zu gut, daß Sie knallhart sind, Inspektor!« sagte sie murrend. »Aber ich gehe davon aus, daß Sie auch fair sind … Was wollen Sie wissen?«
»Alles.«
»Gut, es ist ja nicht mein Begräbnis«, sagte sie wieder etwas gefaßter. Eine Pause trat ein, während Queen sie erwartungsvoll ansah. Mit seiner Anschuldigung, daß sie Morgan erpreßt habe, hatte er erfolgreich einen Versuchsballon gestartet; jetzt meldeten sich leise Zweifel bei ihm. Sie wirkte zu selbstsicher, als daß es nur um Details aus Morgans Vergangenheit gehen konnte, wie es der Inspektor zu Beginn des Gesprächs angenommen hatte. Er schaute zu Ellery hinüber und bemerkte sofort, daß sein Sohn nicht mehr las, sondern seine Augen auf Mrs. Russo geheftet hatte.
»Inspektor«, sagte Mrs. Russo mit triumphierender Stimme, »ich weiß, wer Monte Field umgebracht hat!«
»Was heißt das?« Queen sprang von seinem Sessel auf, während ein feines Rot in seine bleichen Wangen schoß. Ellery richtete sich ruckartig auf seinem Stuhl auf; sein wachsamer Blick richtete sich auf das Gesicht der Frau. Das Buch, in dem er gelesen hatte, glitt ihm aus den Fingern und fiel mit einem dumpfen Knall auf den Boden.
»Ich sagte, ich weiß, wer Monte Field getötet hat«, wiederholte Mrs. Russo, die offensichtlich die Aufregung, die sie verursacht hatte, genoß. »Es war Benjamin Morgan; und ich hörte, wie er Monte an dem Abend, bevor er getötet wurde , bedrohte!«
»Oh!« sagte der Inspektor und setzte sich wieder hin. Ellery hob sein Buch auf und nahm die unterbrochene Lektüre des ›Handbuchs der Handschriftenkunde‹ wieder auf. Es kehrte wieder Ruhe ein. Velie, der Vater und Sohn die ganze Zeit über erstaunt betrachtet hatte, schien die abrupte Veränderung im Verhalten der beiden nicht verstehen zu können.
Mrs. Russo wurde ärgerlich. »Sie denken wohl, ich lüge schon wieder; aber das tue ich nicht!« schrie sie. »Aber ich sage Ihnen, ich habe mit meinen eigenen Ohren gehört, wie Ben Morgan am Sonntag abend zu Monte sagte, daß er ihn beseitigen würde!«
Der Inspektor war ernst, aber gelassen. »Ich zweifle nicht im geringsten an Ihren Worten, Mrs. Russo. Sind Sie sicher, daß es Sonntag abend war?«
»Sicher?« sagte sie schrill. »Ich weiß es ganz genau.«
»Und wo soll das gewesen sein?«
»In Monte Fields eigener Wohnung war das!« sagte sie bissig. »Ich war den ganzen Sonntag abend mit Monte zusammen. Soweit ich weiß, erwartete er keinen Besuch, weil wir normalerweise keine weiteren Gäste hatten, wenn wir den Abend zusammen verbrachten … Sogar Monte schrak auf, als es ungefähr um elf Uhr klingelte, und sagte: ›Wer um alles in der Welt kann das sein?‹ Wir saßen zu diesem Zeitpunkt im Wohnzimmer. Er stand auf und ging zur Tür, und unmittelbar danach hörte ich draußen die Stimme eines Mannes. Ich nahm an, daß Monte nicht wollte, daß mich jemand sah; so ging ich ins Schlafzimmer und schloß die Tür bis auf einen kleinen Spalt. Ich konnte hören, wie Monte versuchte, den Mann abzuwimmeln. Trotzdem kamen sie schließlich ins Wohnzimmer. Durch den Türspalt konnte ich diesen Morgan sehen – zu dem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, wer er war, aber ich entnahm das später ihrer Unterhaltung. Und hinterher hat Monte es mir auch erzählt.«
Einen Moment hielt sie inne. Der Inspektor hörte ihr gelassen zu; Ellery schenkte ihren Worten nicht die leiseste Aufmerksamkeit.
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