Der mysterioese Zylinder
sie mit lieblicher Stimme. »Ich kann Ihnen versichern, Inspektor – ich habe nur ein wenig Spaß gemacht …«
»So ist es«, sagte der Inspektor und lächelte noch einmal, als hätte diese Erklärung seinen Glauben in die menschliche Natur wiederhergestellt. »Hagstrom, das ist alles.«
Der Detective, der mit offenem Mund von seinem Vorgesetzten zu der lächelnden Frau blickte, gewann gerade noch rechtzeitig seine Fassung wieder, um wahrzunehmen, wie sich Velie und Queen über den Kopf der Frau hinweg zuzwinkerten. Vor sich hin brummend, eilte er aus dem Zimmer.
»Nun, Mrs. Russo«, begann der Inspektor in geschäftsmäßigem Ton, »was können wir heute für Sie tun?«
Sie starrte ihn erstaunt an. »Aber – aber, ich dachte, Sie wollten mich sehen …« Sie kniff die Lippen zusammen. »Hören Sie doch mit dieser Komödie auf, Inspektor!« sagte sie schroff. »Freiwillig mache ich hier keine Anstandsbesuche, das wissen Sie genau. Warum haben Sie mich herbringen lassen?«
Der Inspektor streckte seine sensiblen Finger abwehrend aus; protestierend spitzte er die Lippen. »Aber meine liebe Dame!« sagte er. »Es gibt bestimmt etwas, was Sie mir erzählen wollen. Denn, wenn Sie hier sind – und um diese augenscheinliche Tatsache kommen wir nicht herum –, sind Sie aus gutem Grund hier. Auch wenn ich Ihnen zugestehe, daß Sie nicht ganz aus freiem Willen hergekommen sind – Sie sind auf jeden Fall hergebracht worden, weil Sie mir etwas zu erzählen haben. Ist Ihnen das nicht klar?«
Mrs. Russo blickte ihm fest in die Augen. »Was zum – also hören Sie mal, Inspektor, worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Was glauben Sie, habe ich Ihnen zu erzählen? Ich habe alle Fragen, die Sie mir am Dienstag gestellt haben, beantwortet.«
»Gut!« antwortete der alte Mann zornig. »Ich würde sagen, daß Sie am Dienstag morgen nicht alle Fragen vollkommen aufrichtig beantwortet haben. Zum Beispiel – kennen Sie Benjamin Morgan?«
Sie zuckte nicht mit der Wimper. »In Ordnung. Damit haben Sie ins Schwarze getroffen. Ihr Spürhund hat mich erwischt, wie ich gerade aus Morgans Büro kam – na und?« Sie öffnete lässig ihre Handtasche und begann, sich ihre Nase zu pudern. Während sie das tat, warf sie Ellery einen verstohlenen Blick zu. Er war immer noch in sein Buch vertieft und hatte ihre Anwesenheit noch nicht zur Kenntnis genommen. Sie warf den Kopf zurück und wandte sich wieder dem Inspektor zu.
Queen sah sie bekümmert an. »Meine liebe Mrs. Russo, Sie sind nicht fair zu einem alten Mann. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Sie – soll ich sagen – mich belogen haben, als wir uns das letzte Mal gesprochen haben. Das ist nun einmal ein gefährliches Unterfangen bei Polizeiinspektoren, meine Liebe, ein äußerst gefährliches.«
»Jetzt hören Sie mir mal zu!« sagte die Frau plötzlich. »Auf die weiche Tour kommen Sie bei mir auch nicht weiter, Inspektor. Ich habe Sie am Dienstag morgen belogen. Sehen Sie, ich habe nämlich nicht geglaubt, daß Sie jemanden haben, der mir länger auf den Fersen bleiben kann. Es war reine Glückssache, und ich hatte eben Pech. Sie haben herausgefunden, daß ich gelogen habe und wollen nun wissen, was der Grund dafür war. Ich werde es Ihnen erzählen – oder vielleicht auch nicht!«
»Oho!« rief Queen leise aus. »Sie fühlen sich also sicher genug, mir Bedingungen stellen zu wollen. Sie können mir aber glauben, Mrs. Russo, daß Sie sich selbst gerade eine Schlinge um Ihren äußerst charmanten Hals legen!«
»Was?« Ihre Maske war nun beinahe gefallen; auf dem Gesicht der Frau zeigte sich nur noch Verwirrung. »Sie haben nichts gegen mich in der Hand und wissen das verdammt genau. In Ordnung – ich habe Sie angelogen – aber was fangen Sie damit an? Ich gebe es ja auch zu. Ich werde Ihnen sogar erzählen, was ich im Büro von diesem Morgan gemacht habe, wenn Ihnen das irgendwie weiterhilft! Ich bin nun einmal ein ehrlicher Mensch, Herr Inspektor!«
»Meine liebe Mrs. Russo«, gab der Inspektor gequält mit einem leicht verächtlichen Lächeln zurück, »wir wissen bereits, was Sie an diesem Morgen in Mr. Morgans Büro gemacht haben, so daß Sie uns damit keinen so übergroßen Gefallen erweisen werden … Ich bin wirklich überrascht darüber, daß Sie sich in einem solchen Ausmaß selbst belasten wollen, Mrs. Russo. Erpressung ist ein ziemlich schwerwiegendes Vergehen!«
Die Frau wurde leichenblaß. Sie erhob sich halb von ihrem Stuhl und umklammerte seine Armlehnen.
»Morgan
Weitere Kostenlose Bücher