anspruchsvollen Moral. Aber er zeigt auch den Weg des absurden Menschen. Der Flamme gehorchen ist zugleich das Leichteste und das Schwierigste, was es gibt. Es ist jedoch gut, daß der Mensch zuweilen sich selber richtet. Er allein ist imstande, es zu tun.
, sagtALANUS AB INSULIS 19 , - , antworten die Mystiker und die Existentialisten. Gewiß, aber nicht dieser Nacht, die bei geschlossenen Augen und allein durch den Willen des Menschen entsteht - einer trüben und völlig dunklen Nacht, die der Geist hervorbringt, um sich darin zu verlieren. Wenn er einer Nacht begegnen muß, dann möge es lieber die Nacht der Verzweiflung sein, die hell bleibt, Polarnacht, Nachtwache des Geistes, aus der sich vielleicht die helle und unberührte Klarheit erhebt, in der sich jeder Gegenstand im Lichte der Vernunft abzeichnet. Auf dieser Stufe begegnet die Gleichwertigkeit dem leidenschaftlichen Begriffsvermögen. Da handelt es sich gar nicht mehr darum, den existentiellen Sprung zu verurteilen. Er erhält auf dem jahrhundertealten Fresko menschlicher Haltungen wieder seinen Platz. Wenn der Zuschauer bewußt ist, ist für ihn dieser Sprung immer noch absurd. Im selben Maße, wie er das Paradox aufzulösen glaubt, stellt er es völlig wieder her. In dieser Hinsicht ist er erregend. Da rückt alles wieder an seinen Platz, und die absurde Welt ersteht wieder in ihrem Glanz und in ihrer Mannigfaltigkeit.
Aber es ist nicht gut, sich bei einer einzigen Sehweise aufzuhalten, und es ist schwer, sich mit ihr zu begnügen, sich vielleicht des Widerspruchs der subtilsten aller geistigen Kräfte zu berauben. Bisher wurde nur eine Denkweise dargelegt. Es gilt aber zu leben.
II. DER ABSURDE MENSCH
DOSTOJEWSKIJ, Die Dämonen
Was ist Ewigkeit?
, sagt GOETHE, Das ist wahrhaft das absurde Losungswort. Wer aber ist der absurde Mensch wirklich? Derjenige, der das Ewige nicht leugnet und doch nichts dafür tut. Nicht, daß das Heimweh ihm fremd wäre. Aber er zieht ihm seinen Mut und seine Urteilskraft vor. Ersterer lehrt ihn, ohne Widerruf zu leben und sich mit dem zu begnügen, was er hat; letztere unterrichtet ihn über seine Grenzen. Seiner Freiheit auf Zeit ebenso sicher wie seiner aussichtslosen Auflehnung und seines vergänglichen Bewußtseins, geht er seinem Abenteuer in der Zeit seines Lebens nach. Dort liegt sein Acker, dort seine Tatkraft, die er jeglicher Beurteilung entzieht - nur seiner eigenen nicht. Ein längeres Leben bedeutet für ihn kein zweites Leben. Das wäre unanständig. Ich spreche hier gar nicht von jener lächerlichen Ewigkeit, die wir Nachwelt nennen. Madame ROLAND überantwortete sich ihr. Diese Torheit bekam ihre Lektion. Die Nachwelt führt gern ihren Ausspruch an, vergißt aber, sich ein Urteil darüber zu bilden.Madame ROLAND 20 ist der Nachwelt gleichgültig.
Es kann sich nicht um eine Erörterung der Moral handeln. Ich habe Leute gesehen, die mit großem moralischem Aufwand Böses taten, und ich stelle täglich fest, daß die Anständigkeit keiner Gebote bedarf. Der absurde Mensch kann nur eine Moral gelten lassen - die Moral, die sich von Gott nicht unterscheidet: die man sich vorschreiben läßt. Aber er lebt ja gerade außerhalb dieses Gottes. Für die anderen (auch für den Immoralismus) sieht der absurde Mensch hier nur Rechtfertigungen, und er hat nichts zu rechtfertigen. Ich gehe hier vom Prinzip seiner Unschuld aus.
Diese Unschuld ist fürchterlich. , schreit Iwan Karamasow. Auch das schmeckt nach Absurdität. Sofern es nicht im gewöhnlichen Sinne verstanden wird. Ich weiß nicht, ob es richtig verstanden wurde: nicht um einen Schrei der Erlösung und der Freude handelt es sich, sondern um eine bittere Feststellung. Die Gewißheit eines Gottes, der dem Leben seinen Sinn gäbe, ist viel verlockender als die Macht, ungestraft Böses zu tun. Die Wahl wäre nicht schwer. Aber es gibt keine Wahl, und da beginnt die Bitternis. Das Absurde befreit nicht, es bindet. Es rechtfertigt nicht alle Handlungen. Alles ist erlaubt - das bedeutet nicht, daß nichts verboten wäre. Das Absurde gibt nur den Folgen dieser Handlungen ihre Gleichwertigkeit. Es empfiehlt nicht das Verbrechen - das wäre kindisch, aber es gibt