Der Mythos des Sisyphos
Geist sich einstellt, über alle wunderbare, meisterliche Leichtigkeit verfügen. Und eben das kennzeichnet das Genie: die Klugheit, die ihre Grenzen kennt. Bis zur Grenze des physischen Todes weiß Don Juan nichts von der Traurigkeit. Sobald er weiß, erschallt sein Gelächter und entschuldigt alles. Er war traurig, solange er hoffte. Jetzt findet er auf den Lippen dieser Frau den bitteren und stärkenden Geschmack des einzigartigen Wissens. Bitter? Kaum: es ist diese notwendige Unvollkommenheit, die das Glück spürbar macht!
Es wäre eine große Torheit, wollte man in Don Juan einen Menschen sehen, dessen geistige Nahrung aus dem Prediger Salomonis stammte. Denn nichts ist für ihn so eitel wie die Hoffnung auf ein anderes Leben. Er beweist das, da er sie gegen den Himmel selber ausspielt. Das Bedauern darüber, im Genuß die Sehnsucht verloren zu haben - dieser Gemeinplatz der Ohnmacht liegt ihm fern. Der gilt wohl für Faust, der stark genug an Gott glaubt, um sich dem Teufel zu verschreiben. Bei Don Juan liegt die Sache einfacher. Der Burlador MOLINAS 21 antwortet auf alle Drohungen der Hölle: Was nach dem Tode kommt, ist belanglos - und wie lang ist die Reihe der Tage für den, der zu leben weiß! Faust begehrte die Güter dieser Welt: der Unglückliche brauchte nur die Hand auszustrecken. Es hieße schon seine Seele verkaufen, wenn man sie nicht zu erfreuen wüßte. Don Juan dagegen lenkt den Überdruß. Wenn er eine Frau verläßt, so tut er das absolut nicht, weil er sie nicht mehr begehrt. Eine schöne Frau ist immer begehrenswert. Aber er begehrt eine andere, und das ist - wahrlich! - nicht dasselbe.
Dieses Leben füllt ihn ganz aus, und das Schlimmste wäre, es zu verlieren. Dieser Narr ist ein großer Weiser. Die Menschen aber, die von der Hoffnung leben, richten sich schlecht ein in dieser Welt, in der die Güte der Freigebigkeit weicht, die Zärtlichkeit dem männlichen Schweigen, die Gemeinschaft dem einsamen Mut. Und dann sagen alle: Eine beleidigende Größe muß man wohl herabsetzen.
Man entrüste sich, soviel man will (oder mit diesem Komplizen-Lächeln, das den Gegenstand seiner Bewunderung herabsetzt) über die Reden Don Juans und über diese ewig gleiche Phrase, deren er sich bei allen Frauen bedient. Aber für den, der die Quantität der Freuden sucht, zählt allein die Wirkung. Sollte er bewährte Paßworte komplizieren? Niemand, weder Frau noch Mann, hören auf sie; viel stärker vernehmen sie die Stimme, die sie ausspricht. Sie sind die Regel, sind Konvention, und Höflichkeit. Man sagt sie, danach bleibt das Wichtigste noch zu tun. Don Juan bereitet sich schon darauf vor. Warum sollte er sich ein moralisches Problem stellen? Er verurteilt sich nicht wieMILOCZ’ Manara 22 , weil ein Heiliger sein möchte. Die Hölle ist für ihn etwas, das man herausfordert. Für den göttlichen Zorn kennt er nur eine Antwort: die männliche Ehre. , sagte er zum Komtur, Aber ebenso groß wäre der Irrtum, wollte man aus ihm einen Immoralisten machen. Er ist in dieser Hinsicht : er hat die Moral von Sympathie und Antipathie. Man versteht Don Juan nur dann richtig, wenn man sich auf das bezieht, was er gemeinhin symbolisiert: den gewöhnlichen Verführer und Weiberhelden.Er ist ein gewöhnlicher Verführer 23 . Nur daß er bewußt und infolgedessen absurd ist. Ein hellsichtig gewordener Verführer wird sich nicht sosehr ändern. Verführen ist sein Element. Nur in den Romanen ändert man seine Haltung, oder man wird besser. Man kann jedoch behaupten, daß nichts geändert und gleichzeitig alles verwandelt ist. Was Don Juan in Tätigkeit versetzt, ist eine Ethik der Quantität - im Gegensatz zum Heiligen, der zur Qualität neigt. An den tiefen Sinn der Dinge nicht glauben - das ist die Eigentümlichkeit des absurden Menschen. Er überprüft rasch diese warmen oder erstaunten Gesichter, bringt sie in die Scheuer und eilt ohne Aufenthalt weiter. Die Zeit geht mit ihm. Der absurde Mensch trennt sich nicht von der Zeit. Don Juan denkt nicht daran, die Frauen zu . Er verbraucht viele und damit auch seine Lebens-Chancen. Sammeln heißt: von seiner Vergangenheit leben können. Er aber weist das Bedauern zurück, diese andere Form der Hoffnung. Er kann nicht Bildnisse betrachten.
Ist er deswegen
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