Der Nachbar
Fünfzehn Minuten Ruhm? Ohne Rücksicht auf deine Mutter?«
Die fünfzehn Minuten Ruhm verstand sie nicht. Mit ihren zehn Jahren wünschte sie sich, durch die Reaktionen auf ihre Tanzeinlagen ermuntert, lebenslangen Applaus. Wieder antwortete sie mit dem hochmütigen Schulterzucken. »Meine Mutter hat mich überhaupt nicht lieb«, erklärte sie. »Sie ist eifersüchtig auf mich. Sie mag es nicht, wenn die Männer mich besser finden als sie.«
Wäre Tyler zur Stelle gewesen, so hätte er sofort an Franny Gough gedacht und sich gefragt, was das für Menschen waren, die Kindern solche Ideen einbliesen.
Der ältere Polizist winkte sie nach draußen. »So, Amy, jetzt geht's ab nach Hause.«
Sie sprang hinter die Tür. »Ich will aber nicht. Ich will hier bleiben.«
Der jüngere Polizist schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht bestimmen, Schatz.«
Sie zog ihren Arm weg, als er nach ihr greifen wollte. »Ich sage, dass Sie meinen Busen anfassen wollten«, warnte sie.
»Heiliger Strohsack!«, knurrte der ältere der beiden Männer und langte durchs Autofenster zum Funkgerät. »Wo zum Teufel lernt ihr Mädchen dieses Zeug?« Er gab seinen Code durch. »Ja, sie ist hier. Quicklebendig und aufgemacht wie eine Nutte... Sie will nicht mitkommen. Hat bereits damit gedroht, uns sexuelle Nötigung anzuhängen... Ja, Kolleg
innen
und eine Sozialarbeiterin.« Er warf einen Blick zu dem Kind. »Ein richtiger kleiner Fratz... Die Mutter beneid ich wirklich nicht. Die Kleine hält sich für Lolita... aber sie sieht eher aus wie Macaulay Culkin als Mädchen hergerichtet. – Genau...
Allein zu Haus
– und sie genießt es.«
Fax an Sergeant Gary Butler im
Hilton Hotel, Southampton
Telefonische Nachricht
Für: Chief Inspector Tyler
Von: Mrs Angela Gough
Entgegengenommen von: Constable Drew
Datum: 28. 07. 01
Zeit des Anrufs: 16 Uhr 15,
Mrs Gough überlegt jetzt, ob nicht Erpressung hinter Edward Townsends Interesse an Francesca gesteckt haben könnte. Beim zweiten Telefongespräch, das die Frau mit ihrer Tochter in Mallorca führte, gab diese folgende Erklärung für die Reise:
»Ed sagte, wenn man wissen will, ob ein Mann einen liebt, braucht man nur zu prüfen, wie viel er für einen zu zahlen bereit ist.« Francesca dachte, er spräche von den Kosten für Flug und Hotel. War ganz aufgebracht darüber, dass er sie nicht so sehr liebt, wie sie geglaubt hatte. Bei genauerer Überlegung fragt sich nun Mrs Gough, ob er nicht eine gemeine Erpressung vorhatte – z.B.: Entweder Sie zahlen oder in der News of the World erscheinen Aktfotos Ihrer Tochter. Mrs Gough bezeichnet sich als ‘recht vermögend’.
G. Drew
29
Direktionsbüro, Hotel Hilton, Southampton
Als Rogerson im Hotel eintraf, wurde er sofort davon unterrichtet, dass seine Tochter gesund und wohlbehalten gefunden worden war. Tyler sprach im Büro des Direktors mit ihm und wartete schweigend, während der Mann sich langsam beruhigte. Es war schwer zu sagen, ob seine Tränen echt waren, aber Tyler nahm es an. Der Mann besaß eine leidenschaftlichere Natur als geahnt. Er beteuerte, dass er nicht gewusst hatte, gar nicht gewusst haben konnte, dass seine Tochter von seinem Mandanten entführt worden war. Er zeigte sich zur uneingeschränkten Kooperation bereit, nachdem ihm gewisse Dinge zur Kenntnis gebracht worden waren, und berichtete Chief Inspector Tyler ohne weiteren Aufschub von einem zweiten Anwesen, das Edward Townsend gehörte. Er bestätigte, dass er zur Zeit der Trennung von seiner Frau in die Firma Etstone investiert hatte, war aber nicht bereit, etwas über den Betrag zu sagen. Aber es war natürlich eine beträchtliche Summe gewesen, so dass es sowohl in seinem als auch Townsends Interesse gelegen hatte, auch nach Lauras Übersiedelung nach Southampton die guten Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Tyler war erheitert. War er etwa nach dem Prinzip des trojanischen Pferds verfahren?, fragte er. Man wartet ab, täuscht den Rückzug vor und schlägt zu, wenn der Feind es am wenigsten vermutet?
Rogerson erklärte gleichermaßen erheitert, er könne zwar nicht für seinen Mandanten sprechen, aber es habe ihn doch überrascht, dass Mr Townsend offenbar bereitwillig geglaubt habe, er könne einem anderen Mann ungestraft die Frau ausspannen. Er bezeichnete es als das Jeffrey Archer/Bill Clinton Syndrom. Es gibt eben Männer, die bilden sich ein, sie könnten sich alles erlauben, murmelte er.
Er bestritt jedoch mit allem Nachdruck, den Untergang der Firma
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