Der Nachbar
Jungen in seinem Handeln angestachelt hatte. Die Komplizen des Jungen, die ihn in seinem Wahnsinn bestärkt hatten, bevor sie irgendwo im Hinterland der Gärten verschwunden waren, um niemals identifiziert zu werden.
Der Richter blieb ungerührt und sprach den Geschworenen sein Lob zu ihrer Entscheidung aus, ehe er das Urteil fällte. Er erinnerte daran, dass Wesley Barber an jenem Nachmittag unzählige Male Gelegenheit bekommen hatte, sein Handeln zu überdenken. Verschiedene mutige Leute hätten versucht, vernünftig mit ihm zu reden, aber er habe nicht zuhören wollen. Es sei gut möglich, dass der Konsum bewusstseinsverändernder Drogen bei der beispiellosen Barbarei, die er begangen hatte, eine Rolle gespielt habe, aber er könne keinerlei Hinweise darauf entdecken, dass Wesley Barber in höherem Maß‘sozial geschädigt’ sei als seine Opfer.
»Jedem zivilisierten Menschen ist unbegreiflich«, sagte er, »was einen bösartigen jungen Mann wie Sie veranlasst hat zu glauben, es stünde Ihnen zu, über andere zu richten. Sie sind ein schwer gestörter und gefährlicher Mensch. In Ihrem kurzen Leben haben Sie keinerlei Beitrag zum Wohl der Gesellschaft geleistet und nichts von ihr gelernt. Ich hoffe, dass eine lange Haftstrafe Sie Weisheit und Güte lehren wird.«
Es war ein Lynchmord durch den Strang. An einem Seil wurde der Mann aus einem oberen Fenster hinuntergelassen. Man hatte ihm mit einer stumpfen Machete die Genitalien abgehackt, und das Blut strömte an seinen dünnen Beinen hinunter. Er drehte sich mehrere Minuten lang in der Luft, während sich die Schlinge um seinen Hals immer enger zog.
Die Menge unten grölte, als Wesley sich oben in Siegerpose zeigte.
Der Schwarze schnatterte wie ein Affe...
Der Kinderschänder hatte einen Stahlhelm auf dem Kopf, der von einer Seite auf die andere rutschte, während er in der Schlinge baumelte...
28
Rose Cottage, Lower Burton, Devon
Die Tür wurde einen Spalt geöffnet, nachdem der Polizist mehrmals laut geklopft und angekündigt hatte, er werde sie notfalls mit Gewalt aufbrechen. Er und sein Kollege hatten im Wohnzimmer flüchtige Bewegung wahrgenommen, als sie mit dem Wagen vorgefahren waren. Einen Schimmer blonden Haars, als ein Kopf eingezogen worden war.
»Was wollen Sie?« Die Stimme klang dünn und ängstlich.
»Bist du Amy Biddulph?«, fragte er, als er die Tür weiter aufdrückt. Es bestand eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Mädchen und dem Foto, aber sie war sehr gering. Dieses Mädchen hier sah mehr aus wie die ältere Schwester.
Sie warf trotzig den Kopf zurück. »Und wenn?«
«Darf ich reinkommen?«
»Ich darf nicht mit Fremden sprechen.«
Überraschung! »Wir sind von der Polizei, Amy. Wir haben dich gesucht, Kind. Deine Mama ist außer sich vor Sorge um dich.«
Sie zuckte hochmütig mit den Schultern. »Ach, das sagt sie nur. Wenn ich ihr wirklich wichtig wäre, hätte sie mich nicht jeden Tag bei Barry und Kimberley gelassen.«
»Komm, Kleines. Sie ist total fertig. Sie hatte Angst, dir könnte was passiert sein.«
»So ein Quatsch! Ich kann schon auf mich selbst aufpassen.«
Der andere Polizist, der sich hinter dem Haus postiert hatte, um einen Fluchtversuch durch den Garten abzufangen, weil sie zunächst geglaubt hatten, es hätte ein Dritter die Hand im Spiel, kam nach vorn, als er das Gespräch an der Haustür hörte. Er bekam noch die letzten Worte mit, registrierte das geschminkte Gesicht des Kindes, das gebleichte Haar, das eng anliegende Top mit den Spagettiträgern, das Miniröckchen und zog eine Augenbraue hoch. »Ich sehe, du hast dich gut amüsiert, Amy«, sagte er.
Er war älter als sein Kollege und hatte selbst Töchter. Er erkannte die Symptome jugendlicher Rebellion auf den ersten Blick, fand allerdings, dass die Kleine mit ihren zehn Jahren noch reichlich jung dafür war.
»Und? Ist da vielleicht was dabei?«, fragte sie, ihren nicht vorhandenen Busen hervorreckend. »Kinder haben auch Rechte, falls Sie das nicht wissen sollten.«
»Aber sie haben kein Recht dazu, der Polizei die Zeit zu stehlen«, entgegnete er streng. »Hast du nicht ferngesehen? Weißt du nicht, dass die Polizei im ganzen Land nach dir sucht?«
Ein selbstgefälliges kleines Lächeln flog um ihre gemalten Lippen. »Hm, ich bin anscheinend berühmt.«
»Das kann man wohl sagen«, versetzte der Polizist sarkastisch. »Und du wirst noch berühmter werden, wenn die Fotografen dich in diesem Aufzug erwischen. War das der ganze Witz, Amy?
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