Der Nachbar
verloren, als sie Martin heiratete.«
»Haben Sie Amy kennen gelernt, als die beiden hier waren?«
»O ja. Laura war einmal abends mit ihr bei uns.«
»Und was für einen Eindruck hatten Sie von ihr?«
Sie lächelte ziemlich zynisch. »Sie ist der Abklatsch ihrer Mutter – das trällernde kleine Tanzpüppchen, wenn sie glaubt, damit ließe sich was erreichen, ein stilles Mäuschen, wenn's nicht danach aussieht. Meinen Mann hatte sie binnen zwei Sekunden so weit, dass er ihr fünfzig Pence zusteckte. Er fand, sie wäre das entzückendste Kind, das ihm je begegnet war.«
»Und wie war's bei Ihnen? Hat sie Sie auch um den Finger gewickelt?«
Sie überlegte einen Moment. »Ja, irgendwie schon, denke ich. Sie war wie das Äffchen des Drehorgelmanns – hängte sich an einen dran, ob man es wollte oder nicht. Das hat sie natürlich von Laura. Bei uns ist ein kurzer Kuss auf die Wange das Höchste der Gefühle, aber Laura muss einen immer anfassen. Sie schlägt ganz aus der Familie.« Sie hielt inne. »So war's jedenfalls früher«, fügte sie mit leichter Verblüffung hinzu. »Wenn ich jetzt zurückdenke, fällt mir auf, dass sie im letzten Sommer auffallend zurückhaltend war.«
Die Nachbarn in Portisfield waren sehr erpicht darauf zu helfen – allzu sehr in einigen Fällen –, aber was sie an Informationen zu bieten hatten, war enttäuschend. Diejenigen, welche Amy kannten, hatten sie in den letzten zwei Wochen nicht gesehen; und die, welche sie nicht kannten, lieferten der Polizei nichts als falsche Fährten.
»Sie sollten mal die Häuser unten am Ende von der Trinity Street durchsuchen... Da ist so ein Kerl, der sich immer bei den Spielplätzen rumtreibt... ne richtige Tracht Prügel täte dem mal gut, wenn Sie mich fragen...«
»Ja, die Mutter hab ich ab und zu mal gesehen... Ich hab zu meiner Freundin gesagt: ‘Hey, was will 'n dieser eklige Gregory mit ner Frau, die höchstens halb so alt ist wie er?’‘'n alter Drecksack’, sagt sie zu mir. ‘Kimberley wird garantiert höllisch eifersüchtig. Wart's nur ab. Irgendwann bringen die beiden sich gegenseitig um.’«
»Ja, ich hab ein Kind gesehen, das mit dem Kind auf dem Foto eine starke Ähnlichkeit hat... ein hübsches kleines Ding mit langem dunklen Haar... Sie saß mit einem Mann in einem Auto, das neben mir an einer Ampel hielt...Es war ein schwarzer Wagen, glaube ich... kein Mini oder Rolls... das sind die einzigen, die ich voneinander unterscheiden kann...«
Die Polizei hatte ihren Posten in Portisfield im Gemeindesaal neben der katholischen Kirche bezogen. In der einen Ecke saß am frühen Samstagnachmittag Chief Inspector Tyler von der Kriminalpolizei und berichtete seinem Chef.
»Irgendwas läuft da... Ich steig nicht ganz dahinter. Die Biddulph ist offensichtlich völlig verstört und fällt von einem Extrem ins andere – entweder sie kreischt und schreit und macht Kimberley Logan fertig, oder sie sitzt da wie ein Zombie. Sie weigert sich, aus dem Haus zu gehen, und lehnt es ab, im Fernsehen aufzutreten und um Amys Rückkehr zu bitten. Rogerson ist das genaue Gegenteil – ruhig und vernünftig, höflich, gefasst, zu allem bereit, worum wir bitten –, und kaum steht er vor der Kamera, bricht er in Tränen aus.«
»Und warum wundert Sie das?«
»Bevor wir zur Pressekonferenz reingingen, hat er Witze gerissen. Die meisten ausgesprochen frauenfeindlich.« Tyler sah seinen Chef an. »Zum Beispiel: ‘Was tut man, wenn die Geschirrspülmaschine streikt?’«
»Keine Ahnung.«
»Man gibt ihr einen Tritt.«
»Hm.« Der Superintendent rieb sich mit einer Hand nachdenklich den Nacken. »Vielleicht ist das seine Art, zu schreien und zu kreischen und die kleine Logan fertig zu machen. Wir können nicht alle zur rechten Zeit das Richtige tun und sagen.« Er hielt kurz inne. »Und Sie sagen, dass die Eltern einander hassen?«
Tyler nickte. »Rogerson nimmt kein Blatt vor den Mund. Er meint, der Altersunterschied sei viel zu groß gewesen, sie hätten nie etwas gemeinsam gemacht... es sei idiotisch von ihm gewesen, sie zu heiraten, er hätte sich von vornherein darüber im Klaren sein müssen, was geschehen würde... Die Affäre mit Townsend sei vorherzusehen gewesen. Er gibt zu, dass er an der Entwicklung nicht ganz schuldlos war, weil er damals viel zu viel gearbeitet hat, aber er behauptet, er trage ihr nichts nach. Er hat sogar durchblicken lassen, dass er ziemlich froh ist, sie los zu sein.« Er lächelte sarkastisch. »Das behauptet er
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