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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Anfall bekommt.«
    Sie schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ihm fehlt nichts«, erklärte sie wegwerfend. »Als er hier hereinrannte, konnte er laufen wie ein Schuljunge. Außerdem habe ich meinen Koffer draußen im Flur gelassen.«
    Wenn ihr Mangel an Teilnahme Nicholas erstaunte, so zeigte er es nicht. »Die Polizei wird ja bald kommen. Dann kann uns nichts mehr passieren.«
    Sophie lauschte in den Korridor hinaus, aber sie hörte nur sporadisches Gejohle, das gedämpft aus der Richtung des Fensters zu kommen schien. »Können die hintenherum reinkommen?«
    Furchtsam folgten seine Augen ihrem Blick. »Da sind Gärten. Sie müssten die Zäune einreißen, um an uns heranzukommen.« Er brach ab, um zu horchen. »Der Lärm kommt von der Straße«, behauptete er.
    Sophie umfasste die Kante des Tischs und rückte ihn von der Tür weg. »Also, ich bin nicht bereit, mich darauf zu verlassen – und dieses Stück Schrott hier würde kein Kind zurückhalten.« Mit einer gereizten Handbewegung bedeutete sie Franek aufzustehen, drehte den Türknauf und spähte durch den Spalt in den Korridor.
    Auf der Straße herrschte plötzlich ominöse Stille. Die Türen waren immer noch geschlossen, und im Flur war kein Mensch. »Bringen Sie Ihren Vater nach oben. Ich hole meinen Koffer und dann schau ich mal durch den Briefschlitz raus, um zu sehen, was los ist.«
    Von Franek erfolgte eine weitere polnische Tirade, worauf Nicholas sie beim Arm packte und nach hinten zerrte. »Ich hole den Koffer«, erklärte er. »Sie kümmern sich um meinen Vater.«
    Sie schüttelte ihn ab. »Lassen Sie mich los!«
    Mit einem halblauten, »Entschuldigung«, gab er sie augenblicklich frei, doch sein Vater nutzte die Gelegenheit, um ihr seine schweißverschmierte Hand auf den Mund zu drücken und mit dem anderen Arm ihre Taille zu umfangen. Er drängte sie zur Treppe, seine heißen, schwammigen Brüste an ihre Schulterblätter gedrückt. »Schön brav sein«, flüsterte er ihr ins Ohr, »sonst brech ich Ihnen das Kreuz wie einem kleinen Vögelchen. Sie sorgen dafür, dass uns nichts passiert, bis die Polizei kommt, ja?«

11

Besprechungsraum, Gemeindesaal, Portisfield
    Amy war seit mehr als vierundzwanzig Stunden verschwunden, und die Telefone in der Einsatzzentrale läuteten ohne Pause seit ihr Foto in den Nachrichtensendungen des Fernsehens gezeigt worden war. Überall im Land, von Land's End bis John O'Groats, wollte man sie gesehen haben, und jeder Meldung musste mit akribischer Gründlichkeit nachgegangen werden. Solche, in denen von einem kleinen Mädchen in Begleitung eines Mannes die Rede war, schienen die verheißungsvollsten zu sein, waren aber gerade jetzt, mitten in den Sommerferien, nichts Ungewöhnliches. Es gab Väter genug, die beim Stopp an der Tankstelle ihre kleinen Töchter begleiteten, wenn sie sich etwas Süßes kaufen wollten, oder vor der Damentoilette auf ihr Kind warteten. Die Frustration wuchs mit jeder vermeintlichen Spur, die ins Leere lief.
    Im Gegensatz zu diesem Herumstochern nach der berüchtigten Nadel im Heuhaufen, das bei so einem Fall unweigerlich die Folge war, konzentrierten Inspector Tyler und seine Leute ihre Bemühungen auf die Frage, was Amy in den letzten zwei Wochen getrieben hatte, und stießen dabei auf ein seltsames Muster. Barry zufolge war sie jeden Morgen um zehn Uhr aus dem Haus gegangen – ihn hatte jedes Mal das Zuschlagen der Haustür geweckt – und immer erst abends um Viertel vor sechs wieder nach Hause gekommen, stets mit der Behauptung, bei Patsy gewesen zu sein. Aber als Kimberley sie an dem fraglichen Mittwochabend der Lüge bezichtigte, verwandelte Amy sich schlagartig in »so ein richtiges kleines Miststück«.
    Mit verwunderter Miene beschrieb der Junge die Szene. »Normalerweise war sie ne ziemliche Langweilerin – hat bei jedem Dreck geheult – hat nicht gern ferngeschaut –, aber wie Kim gesagt hat, dass sie lügt, ist sie total ausgerastet. Sie hat getreten und geschlagen wie eine Irre, und erst als Kim ihr versprochen hat, dass sie ihrer Mutter nichts sagt, hat sie aufgehört. Dafür musste sie Kim versprechen, dass sie immer vor Laura heimkommt, weil Kim ja sonst kein Geld fürs Aufpassen gekriegt hätte.«
    »Das war am Mittwoch?«
    Barry nickte.
    »Und am Donnerstag hat sie sich an die Abmachung gehalten?«
    Wieder nickte Barry.
    »Hat einer von euch beiden mal rauszukriegen versucht, wohin sie wirklich ging?«
    »Ja, schon. Kim hat sie immer verspottet und gesagt, dass sie sich ja

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